Rz. 236

Probleme bereitet die Abrechnung, wenn im gerichtlichen Verfahren eine Kürzung nach Abs. 3 vorzunehmen ist und der Anwalt zuvor außergerichtlich tätig war. In diesem Fall ist nämlich die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr der VV 2300 gemäß VV Vorb. 3 Abs. 4 hälftig anzurechnen.

 

Beispiel 1: Eingeklagt wird eine Forderung in Höhe von 20.000 EUR. Auf Vorschlag des Gerichts schließen die Parteien einen Vergleich über die Klageforderung sowie weitere nicht anhängige Forderungen in Höhe von 10.000 EUR.

Die Verfahrensgebühr entsteht jetzt aus 30.000 EUR, allerdings in voller Höhe (1,3 nach VV 3100) nur aus 20.000 EUR und im Übrigen (10.000 EUR) nur zu 0,8 (VV 3101 Nr. 1). Das Gebührenaufkommen der Verfahrensgebühr ist anschließend nach Abs. 3 zu begrenzen auf eine 1,3-Gebühr aus dem Gesamtwert von 30.000 EUR.

Die Terminsgebühr entsteht dagegen gemäß VV Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 aus dem Gesamtwert, da hier ein Ermäßigungstatbestand nicht vorgesehen ist.[187]

Abzurechnen ist wie folgt:

 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100

(Wert: 20.000 EUR)
1.068,60 EUR  
2.

0,8-Verfahrensgebühr, VV 3100, 3101

(Wert: 10.000 EUR)
491,20 EUR  
 

gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als

1,3 aus 30.000 EUR
  1.241,50 EUR
3.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104

(Wert: 30.000 EUR)
  1.146,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.407,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   457,43 EUR
Gesamt   2.864,93 EUR
 

Rz. 237

War der Anwalt zuvor außergerichtlich tätig, kommt jetzt noch eine Anrechnung der Geschäftsgebühr (VV 2300) gemäß VV Vorb. 3 Abs. 4 hinzu.

 

Beispiel 2: Wie Beispiel 1; hinsichtlich der 20.000 EUR war der Anwalt jedoch bereits vorgerichtlich tätig und hat insoweit eine 1,3-Geschäftsgebühr nach VV 2300 verdient.

Die 1,3-Geschäftsgebühr aus 20.000 EUR ist jetzt zu einem Gebührensatz von 0,65 anzurechnen. Es stellt sich die Frage, ob diese Anrechnung bereits auf die Gebühr der VV 3100 erfolgt oder erst auf das nach Abs. 3 ermittelte Gesamtergebnis.

Rechnet man die Geschäftsgebühr erst nach der gemäß Abs. 3 vorzunehmenden Kürzung an, ergibt sich folgende Berechnung:

 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100

(Wert: 20.000 EUR)
1.068,60 EUR  
2.

0,8-Verfahrensgebühr, VV 3100, 3101

(Wert: 10.000 EUR)
491,20 EUR  
 

gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als

1,3 aus 30.000 EUR
  1.241,50 EUR
3.

gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,

0,65 aus 20.000 EUR
  – 534,30 EUR
4.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104

(Wert: 30.000 EUR)
  1.146,00 EUR
5. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.873,20 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   355,91 EUR
Gesamt   2.229,11 EUR

Rechnet man die Geschäftsgebühr dagegen auf die 1,3-Verfahrensgebühr an, ergibt sich folgende Berechnung:

 
1.

1,3 Verfahrensgebühr, VV 3100

(Wert: 20.000 EUR)
  1.068,60 EUR
2.

gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,

0,65 aus 20.000 EUR
  – 534,30 EUR
3.

0,8-Verfahrensgebühr, VV 3100, 3101

(Wert: 10.000 EUR)
  491,20 EUR
4.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104

(Wert: 30.000 EUR)
  1.146,00 EUR
5. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.191,50 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   416,39 EUR
Gesamt   2.607,89 EUR

In diesem Fall liegt das Gesamtaufkommen der Verfahrensgebühr unter der Grenze des Abs. 3, so dass es nicht mehr zur Kürzung kommt.

Bei dieser Variante ergibt sich also ein um 378,78 EUR höheres Gebührenaufkommen.

 

Rz. 238

Die Rechtsprechung folgt der zweiten Variante. Danach ist erst anzurechnen und dann zu kürzen.[188]

 

Rz. 239

Ebenso wäre zu rechnen gewesen, wenn der Anwalt nicht hinsichtlich der 20.000 EUR vorgerichtlich tätig gewesen wäre, sondern nur hinsichtlich der 10.000 EUR.

 

Beispiel 3: Wie Beispiel 1; jedoch war der Anwalt hinsichtlich der nicht anhängigen 10.000 EUR bereits vorgerichtlich tätig und hat insoweit eine 1,3-Geschäftsgebühr nach VV 2300 verdient.

Danach wäre wie folgt zu rechnen:

 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100

(Wert: 20.000 EUR)
  1.068,60 EUR
2.

0,8-Verfahrensgebühr, VV 3100, 3101

(Wert: 10.000 EUR)
  491,20 EUR
3.

gem. Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,

0,65 aus 10.000 EUR
  – 399,10 EUR
4. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 30.000 EUR)   1.146,00 EUR
5. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.326,70 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   442,07 EUR
Gesamt   2.768,77 EUR
 

Rz. 240

War der Anwalt sowohl wegen der anhängigen und auch der nicht anhängigen Gegenstände außergerichtlich tätig gewesen, müsste nach Auffassung des OLG Stuttgart, des OLG Karlsruhe und des OLG München zunächst jeweils gesondert angerechnet werden.

 

Beispiel 4: Wie Beispiel 1; jedoch war der Anwalt sowohl hinsichtlich der anhängigen 20.000 EUR als auch der nicht anhängigen 10.000 EUR bereits vorgerichtlich tätig und hat insoweit jeweils eine 1,3-Geschäftsgebühr nach VV 2300 verdient.

 
1.

1,3 Verfahrensgebühr, VV 3100

(Wert: 20.000 EUR)
  1.068,60 EUR
2.

gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,

0,65 aus 20.000 EUR
  – 534,30 EUR
3.

0,8-Verfahrensgebühr VV 3100, 3101

(Wert: 10.000 EUR)
  657,60 EUR
4.

gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,

0,65 aus 10.000 EUR
  – 657,60 EUR
5.

1,2-Terminsgebühr VV 31...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?