a) Dieselbe Angelegenheit: Prozessverfahren und erstinstanzliches Musterverfahren

 

Rz. 120

Nach § 16 Nr. 13 bilden das Prozessverfahren und das erstinstanzliche Musterverfahren nach dem KapMuG dieselbe Angelegenheit. Nach § 15 Abs. 2 kann der Rechtsanwalt die Gebühren in dieser Angelegenheit nur einmal fordern. Hat der Rechtsanwalt Gebühren bereits im Ausgangverfahren erhalten, stehen sie ihm im Musterverfahren nicht erneut zu. Die Verfahrensgebühr wird in dem dem Musterverfahren vorausgehenden Ausgangsverfahren entstanden sein. Im Musterverfahren kann der Rechtsanwalt dann nur noch diejenigen Gebühren verdienen, die ihm nicht bereits aus dem Ausgangsverfahren zustehen, es sei denn, der Rechtsanwalt wurde erstmals mit der Vertretung im Musterverfahren beauftragt. In Betracht kommt hier die Terminsgebühr in den Fällen, in denen das Ausgangsverfahren ohne Durchführung eines Termins unterbrochen oder ausgesetzt wird. Wurde allerdings im Ausgangsverfahren zuvor bereits terminiert und hat der Anwalt dort den Termin wahrgenommen bzw. ist die Terminsgebühr bereits durch die anderen Alternative nach VV Vorb. 3 Abs. 3 angefallen, dann kann er nicht zusätzlich eine weitere Terminsgebühr im Musterverfahren beanspruchen.

Zur Bewilligung einer besonderen Gebühr durch das OLG für das erstinstanzliche Musterverfahren für den Rechtsanwalt, der den Musterkläger vertritt, vgl. die Erl. zu § 41a.

 

Rz. 121

 

Beispiel 1: Der Kläger K, vertreten durch seinen Rechtsanwalt R, erhebt eine Schadensersatzklage über 20.000 EUR, die einen Gegenstand im Sinne von § 1 Abs. 1 KapMuG betrifft. Ein Termin findet im Prozessverfahren zunächst nicht statt. Das Ausgangsverfahren wird ausgesetzt. Vor dem OLG wird ein Musterverfahren durchgeführt, bei dem der Rechtsanwalt R den K ebenfalls vertritt. Das OLG entscheidet auf eine mündliche Verhandlung durch Musterentscheid. Im Ausgangsverfahren wird auf die mündliche Verhandlung ein Urteil erlassen.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts R im Ausgangsverfahren beträgt 20.000 EUR. Auch im Musterverfahren beträgt der Gegenstandswert – hier gemäß § 23b – 20.000 EUR. Für den Rechtsanwalt R ist zunächst bei der Vertretung im Ausgangsverfahren die Verfahrensgebühr nach VV 3100 entstanden. Für die Vertretung im Musterverfahren erhält der Rechtsanwalt R keine weitere Verfahrensgebühr, weil das Ausgangsverfahren und das Musterverfahren gemäß § 16 Nr. 13 eine einzige Angelegenheit sind. In dem Musterverfahren hat der Rechtsanwalts R dann noch eine Terminsgebühr VV 3104 verdient. Auch die Terminsgebühr erhält Rechtsanwalt R im Ausgangsverfahren nicht erneut (vgl. § 16 Nr. 13).

 
1. Ausgangsverfahren (Wert: 20.000 EUR)
  1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 1.068,60 EUR
2. Musterverfahren (Wert: 20.000 EUR)  
  1,2-Terminsgebühr, VV 3104   986,40 EUR
  Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.075,00 EUR  
  19 % Umsatzsteuer, VV 7008   394,25 EUR
Gesamt   2.469,25 EUR

b) Verschiedene Angelegenheiten: Höherinstanzliches Prozessverfahren und Musterverfahren

 

Rz. 122

Befindet sich das Prozessverfahren im höheren Rechtszug, liegen die Voraussetzungen des § 16 Nr. 13 nicht vor.[32] Denn § 16 Nr. 13 bezieht sich ausdrücklich nur auf das erstinstanzliche Prozessverfahren. Prozessverfahren in der höheren Instanz und Musterverfahren bilden dann zwei verschiedene Angelegenheiten.

Wird der Musterfeststellungsantrag in einem höheren Rechtszug gestellt, wird der Antrag als unzulässig verworfen und folgt kein Musterverfahren. Denn ein Musterfeststellungsantrag ist nach § 2 Abs. 1 KapMuG nur im ersten Rechtszug zulässig. Indes kann es zu einer Aussetzung eines Prozessverfahrens im höheren Rechtszug kommen. Nach § 8 KapMuG muss die Aussetzung in jedem Verfahrensstand und unabhängig vom Rechtszug, in dem sich der Rechtsstreit befindet, erfolgen, wenn ein Vorlagebeschluss eines anderen Gerichts bekannt gemacht ist und die Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt. Die Parteien werden dann zu Beteiligten des Musterverfahrens. Der Rechtsanwalt wird dann in zwei Angelegenheiten tätig.

 

Rz. 123

Das Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 20 KapMuG ist gegenüber dem erstinstanzlichen Prozessverfahren eine verschiedene Angelegenheit. § 16 Nr. 13 bezieht sich nur auf das erstinstanzliche Musterverfahren.[33] Die besondere Gebühr nach § 41a kann allerdings nur im erstinstanzlichen Musterverfahren vor dem OLG anfallen. Sie entsteht nicht im Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 20 KapMuG.[34]

[32] A.A. BT-Drucks 15/5091, S. 37.
[33] BGH 22.11.2016 – XI ZB 9/13, AGS 2017, 499 = RVGreport 2017, 181 = MDR 2017, 664; BGH 15.12.2015 – XI ZB 12/12, AGS 2016, 186 = RVGreport 2016, 132 = MDR 2016, 301.
[34] BGH 22.11.2016 – XI ZB 9/13, AGS 2017, 499 = RVGreport 2017, 181 = MDR 2017, 664.

c) Anmeldung zum Musterverfahren und Klageverfahren

 

Rz. 124

Vertritt der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber für die Anmeldung eines Anspruchs zum Musterverfahren (§ 10 KapMuG) und sodann in einem Klageverfahren wegen desselben Anspruchs, handelt es sich um dieselbe Angelegenheit.[35] Die 0,8-Verfahrensgebühr VV 3338 für die Tätigkeit als Vertreter des Anmelders eines Anspruchs zum Musterverfahren geht dann in der später entstehenden ...

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