Rz. 80

Nr. 8 regelt, dass insoweit zum Rechtszug oder zum Verfahren auch

die für die Geltendmachung im Ausland vorgesehene Vervollständigung der Entscheidung nach

der ZPO und
dem FamFG und
die Bezifferung eines dynamisierten Unterhaltstitels gehören,

mit der Folge, dass durch diese Tätigkeiten keine gesonderten Gebühren ausgelöst werden.

 

Rz. 81

Will eine Partei ein Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil, das nach § 313b ZPO in verkürzter Form abgefasst worden ist, in einem anderen Vertrags- oder Mitgliedstaat geltend machen, so ist das Urteil auf ihren Antrag zu vervollständigen (§ 30 Abs. 1 AVAG). Der Antrag kann bei dem Gericht schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Über den Antrag wird ohne mündliche Verhandlung entschieden. Zur Vervollständigung des Urteils sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe nachträglich abzufassen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übergeben (§ 30 Abs. 2 AVAG). Für die Berichtigung des nachträglich abgefassten Tatbestands gilt § 320 ZPO entsprechend (§ 30 Abs. 3 AVAG). § 30 Abs. 1 bis 3 AVAG gilt entsprechend für die Vervollständigung von Arrestbefehlen, einstweiligen Anordnungen und einstweiligen Verfügungen, die in einem anderen Vertrags- oder Mitgliedstaat geltend gemacht werden sollen und nicht mit einer Begründung versehen sind (§ 30 Abs. 4 AVAG).

 

Rz. 82

Beabsichtigt ein Beteiligter in einer Familiensache einen Versäumnis- oder Anerkenntnisbeschluss, der nach § 38 Abs. 4 FamFG in verkürzter Form abgefasst worden ist, in einem anderen Vertrags- oder Mitgliedsstaat geltend zu machen, so sind die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen entsprechend anwendbar. § 38 Abs. 6 FamFG regelt damit den Fall der Ergänzung eines zunächst nicht mit Gründen versehenen Beschlusses in Familiensachen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Beschluss im Ausland geltend zu machen ist. Auch insoweit ist das AVAG anwendbar (siehe oben). Zum Verfahren siehe Rdn 81.

 

Rz. 83

Anträge des Anwalts gemäß § 30 AVAG lösen neben den Gebühren für den Rechtszug oder das Verfahren keine gesonderten Gebühren aus und stellen keine besondere Angelegenheit dar.

 

Rz. 84

Auch ein Antrag nach § 245 FamFG i.V.m. § 74 AUG auf Bezifferung des geschuldeten Unterhalts auf dem Titel löst keine gesonderten Gebühren aus. Diese Tätigkeit gehört gleichermaßen zum Verfahren.

 

Rz. 85

Ein minderjähriges Kind kann von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen (§ 1612a Abs. 1 BGB). Der Mindestunterhalt richtet sich nach dem doppelten Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 S. 1 EStG. Er beträgt monatlich entsprechend dem Alter des Kindes

1. für die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahrs (erste Altersstufe) 87 %,
2. für die Zeit vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahrs (zweite Altersstufe) 100 % und
3. für die Zeit vom 13. Lebensjahr an (dritte Altersstufe) 117 %

eines Zwölftels des doppelten Kinderfreibetrags.

 

Rz. 86

Soll ein Unterhaltstitel, der den Unterhalt nach § 1612a BGB als Prozentsatz des Mindestunterhalts festsetzt, also die Entscheidung eines deutschen Gerichts, im Ausland vollstreckt werden, ist auf Antrag der geschuldete Unterhalt auf dem Titel zu beziffern (§ 245 Abs. 1 FamFG). Für die Bezifferung sind die Gerichte, Behörden oder Notare zuständig, denen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt (§ 245 Abs. 2 FamFG). Der Wortlaut des § 245 Abs. 1 FamFG entspricht im Wesentlichen der Vorschrift des § 72 AUG: "Soll ein Unterhaltstitel, der den Unterhalt nach § 1612a BGB als Prozentsatz des Mindestunterhalts festsetzt, im Ausland vollstreckt werden, gilt § 245 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit." § 72 AUG verweist in den Fällen, in denen der Unterhaltsanspruch in dynamisierter Form tituliert ist, auf § 245 FamFG. Das AUG beschränkt sich – anders als noch die durch Verordnung Nr. 4/2009 v. 18.12.2009 ersetzte und in den Anwendungsbereich des AUG aufgenommene Richtlinie Verordnung (EG) Nr. 805/2004 v. 21.4.2004 – zwar nicht auf Forderungen, die auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet sind. Durch die Bezifferung dynamischer Titel wird jedoch möglichen Vollstreckungsproblemen im Ausland vorgebeugt. Unnötige vollstreckungsrechtliche Unsicherheiten können durch die Möglichkeit der Bezifferung verhindert werden.

 

Rz. 87

Für den Rechtsanwalt, der auch im Unterhaltsverfahren tätig war, gehört das Verfahren über den Antrag auf Bezifferung des Titels (§ 245 FamFG) grundsätzlich zum Rechtszug des Ausgangsverfahrens. Ist der Rechtsanwalt nur mit der Durchführung der Vollstreckung im Ausland beauftragt und holt er die Bezifferung des Titels in diesem Zusammenhang ein, gehört die Tätigkeit zum Vollstreckungsverfahren. Insofern sind...

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