(1) Vorvertragliches Schuldverhältnis
Rz. 84
Der zeitliche Anwendungsbereich eines Schadensersatzanspruchs nach den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB ist mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen, der Anbahnung eines Vertrages oder ähnlicher geschäftlicher Kontakte eröffnet (vgl. § 311 Abs. 2 BGB). Diese Voraussetzung wird in dem für die Erteilung des Hinweises maßgeblichen Zeitpunkt (siehe Rdn 71 ff.) regelmäßig erfüllt sein. Nach der Aufnahme von Vertragsverhandlungen zwischen dem Anwalt und seinem Auftraggeber – also im Regelfall mit dem zwischen Anwalt und potentiellem Auftraggeber geführtem Erstgespräch – ist regelmäßig ein Schuldverhältnis i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB entstanden.
(2) Pflichtverletzung
Rz. 85
Auch die Geltendmachung einer anwaltlichen Pflichtverletzung wird den Auftraggeber in einem Schadensersatzprozess vor keine Probleme stellen. Den Rechtsanwalt treffen bereits im Stadium der Vertragsverhandlungen zivilrechtliche Aufklärungspflichten, die sich auch auf das für den Mandanten bestehende Kostenrisiko erstrecken können. § 49b Abs. 5 BRAO statuiert eine spezielle vorvertragliche Hinweispflicht nunmehr ausdrücklich. Diese Vorschrift verpflichtet den Anwalt auch zivilrechtlich; er hat die Belehrung nach § 49b Abs. 5 BRAO zur Vermeidung etwaiger Haftungsansprüche daher ungefragt zu erteilen. Die berufs- und zivilrechtliche Pflichtenstellung des Anwalts ist insoweit identisch, zumal die Hinweispflicht neben ihrer berufsrechtlichen Intention auch dem Schutz der Dispositionsfreiheit des Mandanten dient (siehe Rdn 52).
(3) Verschulden
Rz. 86
Verteidigungsmöglichkeiten des Anwalts in einem Regressverfahren eröffnen sich hingegen mit Blick auf das Erfordernis schuldhaften Verhaltens. Zu vertreten hat der Anwalt nach § 276 Abs. 1 BGB nur eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Hinweispflicht. Fahrlässig hat er seine Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO nur verletzt, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat (§ 276 Abs. 2 BGB). Da der Gesetzgeber die Hinweispflicht in die Phase der Vertragsanbahnung vorverlagert hat (siehe Rdn 71), wird der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt auch bei Anwendung verkehrsüblicher Sorgfalt nicht immer erkennen können, dass sich die erst wesentlich später zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Kann der Rechtsanwalt im Regressverfahren darlegen und beweisen, dass ihm vor Auftragserteilung nicht alle für die Erfüllung der Hinweispflicht maßgeblichen Tatsachen vorlagen, wird ein Schadensersatzanspruch seines Auftraggebers daher scheitern.
(4) Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens
Rz. 87
Der einem Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB ausgesetzte Anwalt kann überdies einwenden, die Unterlassung des nach § 49b Abs. 5 BRAO gebotenen Hinweises sei für die Entscheidung seines Auftraggebers nicht ursächlich gewesen, weil dieser sich auch in Kenntnis der Abhängigkeit der anwaltlichen Vergütung vom Gegenstandswert für den Abschluss eines Mandatsvertrages mit demselben Rechtsanwalt entschieden hätte.
Rz. 88
Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens kann durch den Auftraggeber freilich in zahlreichen Varianten entkräftet werden. So kann er vortragen, er hätte
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in einem gerichtlichen Verfahren ohne Anwaltszwang den Prozess selbst geführt; |
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sich in einem Amtsgerichts- oder Landgerichtsprozess als Beklagter überhaupt nicht vertreten, sondern sich verurteilen lassen; |
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die gegnerische Forderung sofort erfüllt und dadurch Gerichts- und Anwaltskosten erspart; |
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als Gläubiger von der außergerichtlichen oder gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs abgesehen. |
Ein schlüssiger Sachvortrag dieses Inhalts wird durch den beklagten Anwalt im Haftungsprozess kaum zu entkräften sein. Die Anforderungen an die Schlüssigkeit des Klagevortrags sind freilich hoch; den Auftraggeber trifft die Darlegungs- und Beweispflicht namentlich für den Einwand, er hätte bei Erteilung des Hinweises von einer Mandatierung des Anwalts abgesehen. Der Auftraggeber muss darlegen, dass er auf den Hinweis des Anwalts nach § 49b Abs. 5 BRAO reagiert hätte und dass es damit zur Beauftragung des Anwalts zu den gesetzlichen Gebühren nicht gekommen wäre.
(5) Schaden
Rz. 89
Der geschädigte Auftraggeber ist nach § 249 BGB so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten des Anwalts gestanden hätte. Er hat seinem Mandanten daher den durch die Unterlassung des Hinweises adäquat-kausal entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Anspruch ist auf das negative Interesse gerichtet. Als Vertrauensschaden in diesem Sinne kommen nicht nur die an den eigenen Anwalt bereits gezahlte Vergütung in Betracht, sondern auch die dem Gegner zu erstattenden Anwalts- und Gerichtskosten.