Rz. 20
Gelten für das Verfahren Betragsrahmengebühren, kann es vorkommen, dass infolge der Verweisung oder Abgabe ein anderer Gebührenrahmen anzuwenden ist. Möglich ist eine solche Konstellation zum einen bei der Verweisung des SG an das LSG oder BSG erster Instanz oder umgekehrt (hier gelten nach VV 3102 ff., 3204 ff., 3212 ff. unterschiedliche Betragsrahmen). Zum anderen kann der Gebührenrahmen in Strafsachen wechseln (VV 4106). Zu differenzieren ist in diesen Fällen danach, ob sich der Betragsrahmen erhöht oder ermäßigt.
a) Der Betragsrahmen erhöht sich
Rz. 21
Erhöht sich der Betragsrahmen infolge einer Verweisung an ein anderes Gericht, so war bislang umstritten, nach welchem Rahmen sich die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens richten. Nach einer Auffassung waren sämtliche Gebühren des gerichtlichen Verfahrens dem höchsten Rahmen zu entnehmen. Nach anderer Ansicht galt der höhere Gebührenrahmen dagegen nur für diejenigen Gebühren, die vor dem Empfangsgericht ausgelöst werden; für abgeschlossene Gebührentatbestände verblieb es dagegen bei dem geringeren Rahmen.
Rz. 22
Ob diese Konstellationen nach Inkrafttreten des RVG weiterhin strittig bleiben, muss abgewartet werden. Jedenfalls wird die Streitfrage insoweit wegfallen, als die Verfahrensgebühr für das Vorverfahren (VV 4104) nicht mehr an die Ordnung des zuständigen Gerichts anknüpft, wie dies in § 84 Abs. 1, 1. Alt. BRAGO durch die Bezugnahme auf § 83 BRAGO noch der Fall war. Probleme können sich daher nur im gerichtlichen Verfahren erster Instanz ergeben, da nur noch dort nach der Ordnung des Gerichts differenziert wird.
Beispiel: Das AG als Schöffengericht verweist die Sache in der Hauptverhandlung an die große Strafkammer am LG (§ 270 Abs. 1 StPO), wo mit der Hauptverhandlung erneut begonnen wird.
Für das vorbereitende Verfahren entsteht die Grundgebühr nach VV 4100 und die Verfahrensgebühr nach VV 4104, die unabhängig von der Ordnung des Gerichts sind. Insoweit hat sich die bisherige Streitfrage erledigt.
Für die Hauptverhandlungsgebühren war früher nach h.M. der höhere Rahmen (also jetzt Terminsgebühren nach VV 4114) maßgebend, und zwar auch für die vor dem Schöffengericht entstandene Terminsgebühr. Ausgehend von einer Mittelgebühr wäre danach wie folgt zu rechnen:
I. Vorbereitendes Verfahren
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
220,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
181,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
20,00 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4112 |
|
203,50 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 4114 |
|
352,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, VV 4114 |
|
352,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.349,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
256,31 EUR |
Gesamt |
|
1.605,31 EUR |
Rz. 23
Begründet wurde diese Methode bislang damit, dass für das gesamte gerichtliche Verfahren nur einheitliche Gebühren berechnet werden könnten. Diese Ansicht ist jedoch unzutreffend und im Verhältnis zur Rechtslage bei den Wertgebühren inkonsequent. Das Argument, es wäre unbillig, den geringeren Gebührenrahmen zu wählen, weil vor dem falschen Gericht angeklagt worden sei, trägt nicht. Die Vorschriften der VV 4106 ff. stellen darauf ab, vor welchem Gericht tatsächlich verhandelt worden ist, nicht darauf, vor welchem Gericht hätte verhandelt werden müssen.
Rz. 24
Eine Terminsgebühr kann sich nicht deswegen verändern, weil in einem späteren Fortsetzungstermin die Sache verwiesen wird. Eine solche Rückwirkung lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und widerspräche allen Grundsätzen. Ebenso wie eine Erhöhung des Satzrahmens nach Verweisung nur für diejenigen Gebühren gilt, die (auch) nach Verweisung ausgelöst werden, kann die Erhöhung des Betragsrahmens nur für Gebühren gelten, die nach Verweisung ausgelöst werden. Dies wiederum bedeutet, dass sich die vor dem verweisenden Gericht angefallenen Terminsgebühren auch dann nach dem geringeren Betragsrahmen richten, wenn das Gericht später an ein höheres Gericht verweist. Die Gebühren sind mit Schluss des Verhandlungstermins endgültig entstanden und können sich durch nachträglich eintretende Umstände nicht mehr verändern.
Im Beispiel (siehe Rdn 22) ergibt sich daher folgende Berechnung:
I. Vorbereitendes Verfahren
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
220,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
181,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
20,00 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4112 |
|
203,50 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 4108 (Termin Schöffengericht) |
|
302,50 EUR |
3. |
Terminsgebühr, VV 4114 (Termin Strafkammer) |
|
352,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.279,50 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
243,11 EUR |
Gesamt |
|
1.522,61 EUR |
Rz. 25
Wird dagegen der Gebührentatbestand sowohl vor als auch nach Verweisung ausgelöst, gilt nach sämtlichen Auffassungen durchweg der höhere Rahmen.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft klagt vor dem Schöffengericht an. Das Schöffengericht legt die Sache durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft außerhalb der Hauptverhandlung der großen Strafkammer am LG vor, die das Hauptverfahren eröffnet...