Gesetzestext

 

1Soweit eine Sache an ein anderes Gericht verwiesen oder abgegeben wird, sind die Verfahren vor dem verweisenden oder abgebenden und vor dem übernehmenden Gericht ein Rechtszug. 2Wird eine Sache an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs verwiesen oder abgegeben, ist das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neuer Rechtszug.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

In § 20 werden die Verweisung und Zurückverweisung an ein Gericht eines anderen Instanzenzugs geregelt. Auf die Zurückverweisung innerhalb desselben Instanzenzugs ist § 20 dagegen nicht anwendbar; insoweit gilt § 21. Die Vorschrift des § 20 wiederum unterscheidet danach, ob an ein Gericht des gleichen Rechtszugs verwiesen wird oder an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs. Wird an ein Gericht des gleichen Rechtszugs verwiesen (S. 1), dann gilt das weitere Verfahren mit dem bisherigen Verfahren als eine Angelegenheit nach § 15 Abs. 1. Wird dagegen von einem Rechtsmittelgericht an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs verwiesen (S. 2), dann gilt das weitere Verfahren vor dem Empfangsgericht als eine neue Angelegenheit. Wegen der Abgrenzung der einzelnen Verweisungen und ihrer gebührenrechtlichen Einordnung wird auf die übergreifende Darstellung in der Vorb. zu §§ 20, 21 verwiesen (siehe Vor §§ 20, 21 Rdn 1 ff.).

 

Rz. 2

Kein Fall des § 20 liegt vor, wenn ein Rechtsmittelgericht nach einem Teilurteil das erstinstanzlich verbliebene restliche Verfahren an sich zieht (siehe Vor §§ 20, 21 Rdn 56).

B. Gebührenberechnung bei Verweisung (S. 1)

 

Rz. 3

In S. 1 ist die sog. Horizontalverweisung geregelt. Dies sind die Fälle der Verweisung oder Abgabe wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit an ein anderes Gericht der gleichen Instanzenstufe (im Einzelnen siehe Vor §§ 20, 21 Rdn 9 ff.).

I. Grundsatz

 

Rz. 4

Für diese Fälle der Horizontalverweisung ordnet S. 1 an, dass das weitere Verfahren vor dem übernehmenden Gericht mit dem vorangegangenen Verfahren vor dem abgebenden Gericht ein Rechtszug sei, dass es sich also für den Anwalt, der in beiden Verfahren tätig wird, um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 1 handelt. Folglich kann der Anwalt die Gebühren insgesamt nur ein einziges Mal erhalten (§ 15 Abs. 2). Das gilt auch dann, wenn der Gebührentatbestand sowohl vor dem verweisenden als auch vor dem empfangenden Gericht ausgelöst worden ist.[1]

 

Beispiel: Das LG verweist nach mündlicher Verhandlung den Rechtsstreit an das ArbG. Dort wird erneut verhandelt.

Obwohl die Verfahrens- und auch die Terminsgebühr sowohl vor dem LG als auch dem ArbG erneut ausgelöst worden sind, erhält der Anwalt diese Gebühren insgesamt nur einmal (§ 15 Abs. 2).

 

Rz. 5

Unerheblich ist, vor welchem Gericht die Gebühren ausgelöst worden sind, ob vor dem verweisenden oder dem empfangenden Gericht.

 

Beispiel: Das FamG Köln verweist nach Erörterung die Haushaltssache an das zuständige FamG München. Dort wird ohne erneuten Termin eine Einigung geschlossen.

Dass nur die Verfahrensgebühr vor beiden Gerichten ausgelöst worden ist, die Terminsgebühr nur vor dem FamG Köln und die Einigungsgebühr nur vor dem FamG München, ist unerheblich. Der Anwalt erhält alle drei Gebühren.

 

Rz. 6

Ebenso unerheblich ist es, wenn eine Gebühr nach unterschiedlichen Sätzen angefallen ist.

 

Beispiel: Vor dem LG Bonn erscheint der Kläger nicht, so dass ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergeht. Nach Einspruch wird die Sache im schriftlichen Verfahren an das LG Köln verwiesen. Dort wird verhandelt.

Es entsteht insgesamt nur eine Terminsgebühr (§ 15 Abs. 2). Die vor Verweisung entstandene 0,5-Terminsgebühr (VV 3105) erhöht sich nach Verweisung auf 1,2 (VV 3104).

 

Rz. 7

Im umgekehrten Fall bleibt dem Anwalt die volle Terminsgebühr erhalten, wenn vor Verweisung ein Termin stattfindet, nicht aber auch nach Verweisung.

 

Rz. 8

Wird der vor dem verweisenden Gericht prozessbevollmächtigte Anwalt vor dem empfangenden Gericht als Verkehrsanwalt tätig, kann er die Verkehrsanwaltsgebühr nicht neben der Prozessgebühr verlangen. Er erhält nur eine Gebühr (§ 15 Abs. 6).[2] Das Gleiche gilt für den umgekehrten Fall, dass der ursprüngliche Verkehrsanwalt vor dem Empfangsgericht Prozessbevollmächtigter wird.

 

Rz. 9

Gleiches gilt im Falle einer Terminsvertretung. War der Anwalt zunächst als Terminsvertreter tätig und wird er später zum Hauptbevollmächtigten oder umgekehrt, entsteht die Vergütung insgesamt nur einmal, und zwar so, als sei von vornherein ein Gesamtauftrag erteilt worden (§ 15 Abs. 6).

[1] OLG Frankfurt JurBüro 1979, 848.
[2] Hartmann/Toussaint, § 15 RVG Rn 95.

II. Änderung des Gegenstands

 

Rz. 10

Ändert sich vor oder nach der Verweisung (Abgabe) der Gegenstand infolge Klageerweiterung, teilweiser Klagerücknahme, Widerklage oder Klageänderung, ergeben sich keine Besonderheiten. Da die Gebührenangelegenheit dieselbe bleibt, gelten die allgemeinen Regelungen, wonach sich jede Gebühr nach dem jeweiligen Wert der Gegenstände berechnet, nach dem sie im Laufe der Angelegenheit angefallen ist (vgl. § 22 Rdn 9 f., 14).[3]

[3] Hansens, BRAGO, § 14 Rn 9.

III. Änderung des Gegenstandswerts

 

Rz. 11

Grundsätzlich gilt für die Bewertung des Gegenstands im Rechtsstreit § 23 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 40 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge