1. Gleiche Gebührensätze

 

Rz. 16

Aufgrund der Verweisung kann es dazu kommen, dass für das Verfahren vor dem empfangenden Gericht andere Gebührenvorschriften gelten als für das Verfahren vor dem abgebenden Gericht. Sofern die Vorschriften inhaltsgleich sind, ergeben sich keine Probleme.

 

Beispiele: Verweisung vom VG an LG; Abgabe vom FamG an LG

 

Rz. 17

Problematisch wird die Berechnung allerdings, wenn für das Verfahren nach Verweisung eine andere Gebührenberechnung gilt.

2. Andere Gebührensätze

 

Rz. 18

Möglich ist, dass für das Verfahren vor und nach Verweisung unterschiedliche Gebührensätze anzuwenden sind. Es gilt dann auch hier der Grundsatz, dass einmal verdiente Gebühren nachträglich nicht entfallen können (§ 15 Abs. 4). Soweit die Gebühren nach dem höheren Satz einmal angefallen sind, verbleiben diese. Nur Gebühren, die ausschließlich nach dem geringeren Satz angefallen sind, berechnen sich nach diesem.

 

Rz. 19

Solche Fälle, in denen nach Verweisung andere Gebührensätze gelten, sind seit der Gleichstellung der FG-Verfahren mit den sonstigen Rechtsstreiten selten geworden. Unterschiedliche Gebührensätze kommen in Betracht, wenn ein VG (Gebühren nach VV 3100 ff.) an das erstinstanzlich zuständige OVG oder BVerwG verweist (Gebühren nach VV 3302 Nr. 2) oder umgekehrt,[5] oder wenn das FG (Gebühren nach VV 3200 ff.; siehe VV Vorb. 3.2.1 Nr. 1) an ein Zivilgericht, Sozialgericht oder VG (Gebühren nach VV 3100 ff.) verweist.

 

Beispiel: Das FG verweist an das VG. Dort wird erstmals verhandelt.

Vor dem FG ist die Verfahrensgebühr nach VV 3200 angefallen (VV Vorb. 3.2.1 Nr. 1). Diese bleibt den Anwälten erhalten. Die Terminsgebühr entsteht allerdings nach VV 3104, da vor dem VG die erstinstanzlichen Gebühren gelten.

[5] Ebenso auch, wenn man die Verweisung durch das zweitinstanzliche OVG oder den BGH an das BVerwG als erstinstanzliches Gericht als einen Fall des § 20 S. 1 ansieht (siehe Vor §§ 20, 21 Rdn 47 m. Nachw.).

3. Anderer Gebührenrahmen

 

Rz. 20

Gelten für das Verfahren Betragsrahmengebühren, kann es vorkommen, dass infolge der Verweisung oder Abgabe ein anderer Gebührenrahmen anzuwenden ist. Möglich ist eine solche Konstellation zum einen bei der Verweisung des SG an das LSG oder BSG erster Instanz oder umgekehrt (hier gelten nach VV 3102 ff., 3204 ff., 3212 ff. unterschiedliche Betragsrahmen). Zum anderen kann der Gebührenrahmen in Strafsachen wechseln (VV 4106). Zu differenzieren ist in diesen Fällen danach, ob sich der Betragsrahmen erhöht oder ermäßigt.

a) Der Betragsrahmen erhöht sich

 

Rz. 21

Erhöht sich der Betragsrahmen infolge einer Verweisung an ein anderes Gericht, so war bislang umstritten, nach welchem Rahmen sich die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens richten. Nach einer Auffassung waren sämtliche Gebühren des gerichtlichen Verfahrens dem höchsten Rahmen zu entnehmen.[6] Nach anderer Ansicht galt der höhere Gebührenrahmen dagegen nur für diejenigen Gebühren, die vor dem Empfangsgericht ausgelöst werden; für abgeschlossene Gebührentatbestände verblieb es dagegen bei dem geringeren Rahmen.[7]

 

Rz. 22

Ob diese Konstellationen nach Inkrafttreten des RVG weiterhin strittig bleiben, muss abgewartet werden. Jedenfalls wird die Streitfrage insoweit wegfallen, als die Verfahrensgebühr für das Vorverfahren (VV 4104) nicht mehr an die Ordnung des zuständigen Gerichts anknüpft, wie dies in § 84 Abs. 1, 1. Alt. BRAGO durch die Bezugnahme auf § 83 BRAGO noch der Fall war. Probleme können sich daher nur im gerichtlichen Verfahren erster Instanz ergeben, da nur noch dort nach der Ordnung des Gerichts differenziert wird.

 

Beispiel: Das AG als Schöffengericht verweist die Sache in der Hauptverhandlung an die große Strafkammer am LG (§ 270 Abs. 1 StPO), wo mit der Hauptverhandlung erneut begonnen wird.

Für das vorbereitende Verfahren entsteht die Grundgebühr nach VV 4100 und die Verfahrensgebühr nach VV 4104, die unabhängig von der Ordnung des Gerichts sind. Insoweit hat sich die bisherige Streitfrage erledigt.

Für die Hauptverhandlungsgebühren war früher nach h.M.[8] der höhere Rahmen (also jetzt Terminsgebühren nach VV 4114) maßgebend, und zwar auch für die vor dem Schöffengericht entstandene Terminsgebühr. Ausgehend von einer Mittelgebühr wäre danach wie folgt zu rechnen:

I. Vorbereitendes Verfahren

 
1. Grundgebühr, VV 4100 220,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, VV 4104 181,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002 20,00 EUR

II. Gerichtliches Verfahren

 
1. Verfahrensgebühr, VV 4112   203,50 EUR
2. Terminsgebühr, VV 4114   352,00 EUR
3. Terminsgebühr, VV 4114   352,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.349,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   256,31 EUR
Gesamt   1.605,31 EUR
 

Rz. 23

Begründet wurde diese Methode bislang damit, dass für das gesamte gerichtliche Verfahren nur einheitliche Gebühren berechnet werden könnten. Diese Ansicht ist jedoch unzutreffend und im Verhältnis zur Rechtslage bei den Wertgebühren inkonsequent. Das Argument, es wäre unbillig, den geringeren Gebührenrahmen zu wählen, weil vor dem falschen Gericht angeklagt worden sei, trägt nicht. Die Vorschriften der VV 4106 ff. stellen dar...

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