a) Allgemeines
Rz. 153
Im isolierten Vorverfahren nach § 78 SGG bestimmt sich die Kostenerstattung gemäß § 63 SGB X.
Rz. 154
§ 63 SGB X gilt nur für isolierte Vorverfahren des SGG im Anwendungsbereich des SGB X, der in § 1 SGB X geregelt ist. Nicht anwendbar ist § 63 SGB X auf Kosten eines Verwaltungsverfahrens betreffend die Rücknahme eines Verwaltungsakts (Neufeststellungsverfahren) nach § 44 SGB X. Weist der Berufungsausschuss den Widerspruch eines Arztes gegen die Zulassung eines Konkurrenten zurück, so stellt § 63 SGB X auch keine Rechtsgrundlage – es existiert auch sonst keine – für die Erstattung der Aufwendungen des Konkurrenten zur Rechtsverteidigung im isolierten Vorverfahren dar.
Rz. 155
§ 63 SGB X setzt für die Kostenerstattung einen erfolgreichen Widerspruch voraus. Ein Widerspruch ist erfolgreich, wenn die Ausgangsbehörde abhilft oder die Widerspruchsbehörde dem Widerspruch stattgibt. Dabei ist unerheblich, ob der Widerspruch auch nach objektiver Rechtslage Erfolg gehabt hätte, weil § 63 SGB X allein auf den äußeren Erfolg des Widerspruchs abstellt. Die Ausgangsbehörde hat aber bei zulässigem und begründetem Widerspruch die Wahl, anstatt dem Widerspruch abzuhelfen, den angefochtenen Verwaltungsakt zurückzunehmen. Die Rücknahme des Verwaltungsakts ist aber kostenrechtlich nicht der Abhilfe des Widerspruchs gleichzustellen, mit der Folge, dass eine Kostenerstattung nicht zu erfolgen hat. Die Ausgangsbehörde darf aber in diesem Fall dem Widerspruchsführer, der im Widerspruchsverfahren obsiegt hätte, nicht ohne tragfähigen Grund um den zu erwartenden Kostenausspruch bringen. Dabei ist das Anliegen der Ausgangsbehörde, sich nur der Kostenlast zu entziehen, kein tragfähiger Grund. Erledigt sich der Widerspruch auf andere Weise als durch Abhilfe oder Rücknahme durch die Ausgangsbehörde oder durch Stattgabe seitens der Widerspruchsbehörde, so kommt eine Kostenerstattung nicht in Betracht. Ein Kostenerstattungsanspruch besteht aber auch dann, wenn ein Betroffener Widerspruch gegen einen Bescheid einlegt, der nach § 86 oder § 96 SGG in ein laufendes Verfahren einbezogen wurde, aber fälschlicherweise in seiner Rechtsbehelfsbelehrung auf den Widerspruch verwies, und der Betroffene den Widerspruch dann zurücknimmt, nachdem seine Unzulässigkeit erkannt wurde. Dies folgt aus einer erweiternden Auslegung des § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X.
b) Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts
Rz. 156
Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind nach § 63 Abs. 2 SGB X nur erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Da § 63 SGB X dem gleichlautenden § 80 Abs. 1 S. 1 VwVfG nachgebildet worden ist, der wiederum an den weitgehend mit § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 193 Abs. 2 SGG übereinstimmenden § 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anknüpft, ist davon auszugehen, dass die Grenzen der Erstattungsfähigkeit von Kosten in § 63 SGB X grundsätzlich nicht weiter gezogen sind als in den genannten Regelungen der anderen Verfahrensordnungen. Mithin können die von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze hier entsprechend angewandt werden. Danach ist die Notwendigkeit aus einer Sicht ex ante zu beurteilen. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die förmliche Vollmachtserteilung. Maßgebend ist die Sicht eines verständigen Beteiligten unter Würdigung der gesamten Umstände. Dabei dürfen die Erkenntnis und Urteilsfähigkeit des Bürgers nicht überschätzt werden; die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist das gute Recht eines Bürgers. Allerdings sind die wirtschaftliche Bedeutung und der Schwierigkeitsgrad der Angelegenheit zu berücksichtigen. Ebenfalls sind zu beachten neben dem Bildungs- und Kenntnisstand des Bürgers die Schwierigkeit und der Bekanntheitsgrad der einschlägigen Rechtsmaterie, die Intensität der Rechtsbeziehung zwischen Bürger und Behörde und die Frage, ob der Schwerpunkt eher im rechtlichen oder im tatsächlichen Bereich liegt. In der Regel ist aber – nicht nur bei schwierigen und umfangreichen Sachverhalten – die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts zu bejahen.
Rz. 157
Nur nach Maßgabe dieser Beurteilungsmaßstäbe ist auch zu bewerten, ob die Kosten eines Rechtsanwalts, der sich im Nachprüfungsverfahren selbst vertritt, erstattungsfähig sind. Ebenfalls notwendig können nach den dargestellten Beurteilungsmaßstäben die Aufwendungen für eine anwaltliche Beratung im Nachprüfungsverfahren sein.