Lotte Thiel, Norbert Schneider
Rz. 35
Nach Eingang der Klage oder eines sonstigen Antrags hat das Gericht den Streitwert vorläufig festzusetzen (§ 63 Abs. 1 S. 1 GKG), insofern wertabhängige Gerichtsgebühren mit Einreichung des Klageantrags oder eines sonstigen Antrags fällig werden. Sinn und Zweck der vorläufigen Festsetzung ist es, dem Kostenbeamten einen Wert vorzugeben, damit die Gerichtsgebühren erhoben werden können. Eine vorläufige Wertfestsetzung ist unzulässig, jedenfalls aber bedeutungslos, wenn keine Gerichtsgebühren erhoben werden. Gleiches gilt, wenn die Gebühren noch nicht fällig sind, da sich bis zur Fälligkeit noch Veränderungen ergeben können und Gerichtsgebühren vor Eintritt der Fälligkeit auch nicht geschuldet sind.
Rz. 36
Werden wertabhängige Gerichtsgebühren nicht bereits mit ihrer Einreichung fällig, dann ist erst bei späterer Fälligkeit ein Wert festzusetzen.
Rz. 37
Das GKG sieht nur eine Anfechtung der endgültigen Wertfestsetzung vor (§ 68 GKG). Daher ist eine vorläufige Wertfestsetzung unanfechtbar. Da das Gericht aber von Amts wegen verpflichtet ist, den Streitwert zutreffend festzusetzen, muss es auf eine Gegenvorstellung reagieren (§ 63 Abs. 3 GKG). Die Sache ist in diesem Falle allerdings nicht dem Beschwerdegericht vorzulegen.
a) Entbehrlichkeit der vorläufigen Festsetzung
Rz. 38
Eine vorläufige Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, wenn Gegenstand des Verfahrens
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eine bestimmte Geldsumme in EUR ist oder |
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wenn das Gesetz einen Fest- oder Regelwert vorsieht. |
Grund hierfür ist, dass in diesen Fällen der Kostenbeamte die fällige Gebühr selbst berechnen und anfordern kann.
Rz. 39
Auch wenn eine vorläufige Wertfestsetzung in diesen Fällen entbehrlich ist, kann das Gericht dennoch vorläufig einen Wert festsetzen. Das wiederum ist dann geboten, wenn sich bei Zahlungsansprüchen Bewertungsschwierigkeiten ergeben, etwa wenn die Zusammensetzung der Geldforderung im Hinblick auf § 43 Abs. 1 GKG nicht ohne Weiteres ersichtlich ist oder wenn verschiedene Anträge oder Widerklageanträge gestellt werden und die Frage der Zusammenrechnung unklar ist.
b) Verfahren bei der vorläufigen Wertfestsetzung
Rz. 40
Das Gericht setzt den vorläufigen Wert durch Beschluss fest (§ 63 Abs. 1 S. 1 GKG). Zuständig für die vorläufige Wertfestsetzung ist das Gericht. Die vorläufige Wertfestsetzung findet ohne Anhörung der Beteiligten statt (§ 63 Abs. 1 S. 1 GKG). Der Kläger bzw. der Antragsteller, den die Zahlungspflicht zunächst trifft (§ 22 Abs. 1 S. 1 GKG), hat die Möglichkeit, im Rahmen seines Antrags (siehe § 61 GKG) zum vorläufigen Streitwert Stellung zu nehmen. Abgesehen davon kann auch die vorläufige Wertfestsetzung jederzeit abgeändert werden (§ 63 Abs. 3 GKG). Zudem besteht die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Vorauszahlungsanordnung nach § 67 GKG, so dass der Kläger bzw. der Antragsteller hinreichend geschützt ist. Der Beschluss kann formlos mitgeteilt werden. Eine Zustellung ist nicht erforderlich.
c) Unanfechtbarkeit des Beschlusses über die vorläufige Wertfestsetzung
Rz. 41
Die vorläufige Wertfestsetzung ist unanfechtbar. Die Beschwerde nach § 68 GKG ist nur gegen die endgültige Wertfestsetzung gegeben. Einwendungen gegen die Höhe eines vorläufig festgesetzten Werts können daher nur im Beschwerdeverfahren nach § 68 GKG (siehe Rdn 28) geltend gemacht werden (§ 63 Abs. 1 S. 2 GKG).
Rz. 42
Die vorläufige Wertfestsetzung ist auch für den Anwalt über Abs. 2 nicht anfechtbar. Sie enthält für ihn ohnehin keine Beschwer. Eine Abrechnung der Rechtsanwaltsgebühren ist zu diesem Zeitpunkt mangels Fälligkeit noch nicht möglich (§§ 8, 10). Hinsichtlich einer Vorschussanforderung (§ 9) ist der Anwalt an eine vorläufige Wertfestsetzung auch nicht über Abs. 1 gebunden. Er kann Vorschüsse nach einem voraussichtlich höheren Wert von seinem Auftraggeber anfordern.
d) Gegenvorstellung
Rz. 43
Möglich ist allerdings eine Gegenvorstellung gegen die vorläufige Streitwertfestsetzung. Das Gericht ist von Amts wegen verpflichtet, den Streitwert zutreffend festzusetzen (§ 63 Abs. 3 S. 1 GKG). Dies gilt für die endgültige, aber auch für eine vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist daher verpflichtet, auf eine begründete Gegenvorstellung den Wert abzuändern, zumal die Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG zum Zeitpunkt einer vorläufigen Wertfestsetzung nie abgelaufen sein kann.