Lotte Thiel, Dr. iur. Thomas Eder
Rz. 133
Die nach Abs. 2 vorgesehene Anrechnung ist dispositiv. Sie kann durch Parteivereinbarung abbedungen werden. Ob diese Vereinbarung der Formvorschrift des § 3a Abs. 1 S. 1 unterliegt, ist ungeklärt. Dem Grunde nach fällt der Anrechnungsausschluss zunächst unter § 3a Abs. 1 S. 1, weil mit ihm die gesetzlich vorgesehene Anrechnung nach § 34 Abs. 2 abbedungen und damit eine Vereinbarung über die Vergütung getroffen wird. Problematisch ist allerdings, ob diese Formvorschrift von § 3a Abs. 1 S. 4 wieder aufgehoben wird, wonach § 3a Abs. 1 S. 1 und 2 "nicht für eine Gebührenvereinbarung nach § 34 gelten".
Der Gesetzestext ist in seinem Wortlaut durchaus mehrdeutig: Mit dem Begriff "Gebührenvereinbarung" könnte ebenso gut die gesamte Vereinbarung einschließlich eines etwa vereinbarten Anrechnungsausschlusses gemeint sein wie auch lediglich die Vereinbarung der Gebühr an sich. Sinn und Zweck des § 3a Abs. 1 sprechen allerdings eher dafür, dass ein Anrechnungsausschluss ebenso formfrei vereinbart werden kann wie die Beratungsgebühr selbst. Denn der Gesetzgeber bezweckte mit der Formvorschrift Warnung und Schutz des Mandanten, der sich deutlich und (aufgrund der Textform) auch nachhaltig darüber Klarheit verschaffen können sollte, welche konkrete Vereinbarung er mit seinem Anwalt hinsichtlich der Vergütung geschlossen hatte. Eine solche Warn- und Schutzfunktion hat der Gesetzgeber jedoch bei der Gebührenvereinbarung für die Beratung nach § 34 – in Übereinstimmung mit der bereits zu § 4 a.F. vorherrschenden Auffassung – für entbehrlich gehalten.
Für einen solchen Schutzzweck könnte lediglich sprechen, dass der Anrechnungsausschluss mittelbar Auswirkungen auf andere Gebühren hat, namentlich auf die Geschäftsgebühr für eine nachfolgende außergerichtliche Vertretung bzw. auf die Verfahrensgebühr für einen nachfolgenden Rechtsstreit. Diese Gebühren muss der Mandant – abweichend von der gesetzlichen Regelung – aufgrund des Ausschlusses der Anrechnung in voller Höhe tragen, während sonst die Anrechnung seine Gebührenlast mindern würde.
Grundsätzlich ist die Textform auch geeignet, mögliche Beweisschwierigkeiten des Anwalts zu vermeiden. Daher sollte der Anrechnungsausschluss vorsorglich schriftlich fixiert werden. Dies muss nicht zwingend bereits bei Abschluss der Gebührenvereinbarung für die Beratung erfolgen, sollte jedoch spätestens dann nachgeholt werden, wenn der Anwalt aufgrund des konkreten Verlaufes des Mandats erkennen kann, dass neben der Beratung auch eine Tätigkeit erfolgen wird, die mit der Beratung i.S.v. § 34 Abs. 2 zusammenhängt.
Rz. 134
Gegenstand der Vereinbarung kann sein
▪ |
der vollständige Ausschluss der Anrechnung der Beratungsgebühr |
▪ |
der partielle Ausschluss der Anrechnung der Beratungsgebühr Beispiel: Anwalt und Mandant vereinbaren, dass die Anrechnung der Beratungsgebühr ausgeschlossen wird, soweit sie einen Betrag von 250 EUR übersteigt. Beträgt die vereinbarte oder übliche Beratungsgebühr 750 EUR, unterliegt der Differenzbetrag von 500 EUR nicht der Anrechnung nach Abs. 2. |
▪ |
die Beschränkung der Anrechnung auf bestimmte Gebührentypen Beispiel: Die Anrechnung der Beratungsgebühr wird auf eine mit dem Gegenstand der Beratung zusammenhängende Geschäftsgebühr beschränkt. Erhält der Rechtsanwalt nach der Beratung einen Prozessauftrag, ist nach Abs. 2 die Anrechnung der Beratungsgebühr auf die Verfahrensgebühr (VV 3100) ausgeschlossen. |
Rz. 135
Eine Vereinbarung nach Abs. 2 ist dem Anwalt unbedingt zu empfehlen. Zum einen beugt sie den unter Rdn 123 ff. skizzierten Anrechnungsproblemen vor; zum anderen vermeidet der Anwalt eine unnötige Kürzung seines Vergütungsanspruchs. Sofern sich der Anwalt auf einen Anrechnungsausschluss nach Abs. 2 beruft, trifft ihn auch die Darlegungs- und Beweislast. Schon im Hinblick auf ihre Beweisfunktion empfiehlt sich daher eine schriftliche Abfassung der Vereinbarung.