1. Nichtigkeit der Vereinbarung (S. 1)
Rz. 123
Hinsichtlich der Möglichkeit, über die – mageren – Prozess- und Verfahrenskostenhilfegebühren hinaus eine Zusatzvergütung durch den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit seinem Auftraggeber zu erlangen, sieht sich der Anwalt durch das Reformgesetz vom 12.6.2008 mit einer veränderten Rechtslage konfrontiert.
Rz. 124
Nach § 4 Abs. 5 S. 1 a.F. war der Anspruch aus einer Vergütungsvereinbarung für eine anwaltliche Tätigkeit, die infolge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits Gegenstand der Beiordnung war, als Naturalobligation ausgestaltet. Die Vergütungsvereinbarung war wirksam, der aus ihr resultierende Vergütungsanspruch aber nicht justiziabel. Leistete der Auftraggeber ungeachtet dessen freiwillig und vorbehaltlos, konnte das gezahlte Honorar nach § 4 Abs. 5 S. 2 a.F. nicht kondiziert werden.
Rz. 125
Diese Regelung benachteiligte nach den Motiven des Reformgesetzgebers den Mandanten in unangemessener Weise, weil entgegen den Grundsätzen des BGB eine Rückforderung selbst dann ausgeschlossen war, wenn der Mandant nicht wusste, dass keine Pflicht zur Zahlung bestand und es ihm infolge dessen gar nicht möglich war, die Zahlung unter einen Vorbehalt zu stellen. Abs. 3 S. 1 ordnet daher die Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung an, allerdings nur, soweit sie die gesetzliche Vergütung übersteigt. Im Übrigen bleibt die Vereinbarung wirksam, wobei allerdings fraglich ist, ob sie durchsetzbar ist (vgl. Rdn 129 ff.). Der Reformgesetzgeber hat die über die gesetzliche Vergütung hinausgehende Prozess- und Verfahrenskostenhilfe insoweit den damaligen Regelungen der Beratungshilfe gleichgestellt, die aber auch schon wieder geändert worden sind (siehe Rdn 134 ff.). Eine über den Gegenstand der Beiordnung getroffene Vereinbarung ist daher unwirksam, sofern der Anwalt eine höhere als die gesetzliche Vergütung erhalten soll. Bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung bleibt eine Vereinbarung mit dem PKH-Mandanten indes zulässig und wirksam; die Nichtigkeitsfolge erfasst nur weitergehende Vereinbarungen. Dennoch gezahlte Beträge sind dann zu erstatten, auch soweit sie die gesetzliche Vergütung nicht übersteigen. § 139 BGB findet keine Anwendung.
Rz. 126
Das Verbot, eine höhere als die gesetzliche Vergütung zu vereinbaren, erstreckt sich allerdings, soweit auch eine Beiordnung vorliegt. Soweit der Anwalt auch weitere Tätigkeiten erbringen soll, die nicht von der Beiordnung umfasst sind (z.B. Widerklage, Klageerweiterung, einzelne Folgesachen), kann er mit dem Mandanten eine Vergütung frei vereinbaren, da dann die Begrenzung des Abs. 3 nicht gilt.
2. Verweis auf Bereicherungsrecht (S. 2)
Rz. 127
Abs. 3 S. 2 verweist hinsichtlich der Zahlungen, die der Auftraggeber auf die nichtige Vergütungsvereinbarung bereits geleistet hat, auf die Vorschriften des BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung. Der Reformgesetzgeber hat die spezielle Kondiktionsregel des § 4 Abs. 5 S. 1 a.F. durch das allgemeine Bereicherungsrecht ersetzt. Der Rechtsanwalt kann sich daher seit dem 1.7.2008 nur noch auf den Rückforderungsausschluss nach § 814 BGB berufen.
Rz. 128
Abs. 3 S. 2 hat lediglich deklaratorischen Charakter. Es handelt sich nicht um eine Rechtsfolgenverweisung. Die Voraussetzungen der §§ 812 ff. BGB sind daher im Einzelfall darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört nach § 814 BGB der Nachweis des Rechtsanwalts, dass sein Mandant die neben der PKH vereinbarte Vergütung in Kenntnis der Nichtschuld geleistet hat (dazu siehe § 4b Rdn 16 f.). Die allgemeine Kondiktionsregel des § 814 BGB bedarf jedoch bereits mit Blick auf die Entscheidung des BGH vom 8.6.2004 einer spezifisch vergütungsrechtlichen Interpretation. Die gleichlautenden Verweise in §§ 3a Abs. 3 S. 2 und 4b S. 2 sind danach wie folgt auszulegen:
Zitat
"Leistet der Mandant an den Rechtsanwalt in Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzliche Vergütung überschritten wird, kann er das Geleistete später nicht deshalb zurückfordern, weil die Vergütungsvereinbarung unwirksam ist."
Rz. 129
Problematisch ist die Durchsetzbarkeit einer vereinbarten Vergütung bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung, also wenn der Anwalt mit dem Mandanten die "Zuzahlung" in Höhe der Differenz zwischen den Pflichtgebühren und den Wahlanwaltsgebühren vereinbart. Nach Abs. 3 ist eine solche Vereinbarung nicht zu beanstanden. Nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO darf der beigeordnete Anwalt allerdings seine gesetzlichen Gebühren gegenüber den Mandanten nicht geltend machen. Diese Vorschrift enthält eine Forderungssperre für die Zeit der Beiordnung. Wird die Beiordnung später aufgehoben, fällt die Sperre weg und der Anwalt kann die volle gesetzliche Wahlanwaltsvergütung verlangen. Im Falle einer bloßen Abänderung (Ratenzahlung oder Einmalzahlung) kann der Anwalt die Differenz dagegen nicht verlangen (häufige Fehlerquelle). Der Anwalt muss hier de...