Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Wirksame Beiordnung oder Bestellung als Rechtsgrundlage
Rz. 30
Zunächst muss eine wirksame Beiordnung oder Bestellung vorliegen. Diese brauchen nicht fehlerfrei zu sein. Es reicht, wenn sie zugunsten des beigeordneten oder bestellten Anwalts als Rechtsgrundlage für das Eingreifen eines gesetzlichen Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse Geltung beanspruchen können. Das ist bereits der Fall, wenn kein Nichtigkeitsgrund vorliegt. Ein solcher wäre nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen, wenn etwa die Beiordnung oder Bestellung für jedermann erkennbar als grob gesetzeswidrig oder völlig unsinnig anzusehen sein sollte. Bloße Fehlerhaftigkeit reicht insoweit nicht aus. Unerheblich ist beispielsweise, wenn der Rechtspfleger anstelle des Richters entscheidet oder wenn unter Verstoß gegen § 121 Abs. 3 ZPO ein auswärtiger Anwalt oder entgegen § 121 Abs. 4 ZPO eine Mehrzahl von Anwälten oder in einem Verfahren ohne Anwaltszwang ein Rechtsbeistand beigeordnet wird, wenn Prozesskostenhilfe und Beiordnung überhaupt nicht beantragt waren oder wenn die Beiordnung nicht notwendig gewesen ist oder fälschlich rückwirkend erfolgt. Nichtigkeit könnte allerdings anzunehmen sein, wenn in einem Anwaltsprozess ein Rechtsbeistand beigeordnet wird, wenn zwar eine Beiordnung, aber keine Prozesskostenhilfe beschlossen wird oder wenn die vermeintlich unterstützte Partei nicht (mehr) existiert.
b) Fehlerhafte Beiordnung im Festsetzungsverfahren (§ 55)
Rz. 31
Eine nichtige Beiordnung oder Bestellung ist im Festsetzungsverfahren (§ 55) so zu behandeln, als wäre sie nicht vorgenommen worden. Eine nur fehlerhafte Beiordnung oder Bestellung ist so hinzunehmen, wie sie vorgenommen worden ist. Unklarheiten sind im Zweifel zugunsten des Anwalts auszulegen. Das Erklärungsrisiko liegt bei der öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Der Anwalt darf so weit und so lange von der Richtigkeit der ihm bekannt gegebenen Ausfertigung ausgehen, wie die dort niedergelegte Regelung plausibel ist und ihm nichts Gegenteiliges zur Kenntnis gelangt. Ein Formerfordernis besteht indes nicht; die Beiordnung oder Bestellung kann auch konkludent erfolgen.
c) Verlust des Vergütungsanspruchs
Rz. 32
Weil mit der Beiordnung oder Bestellung zwischen dem Anwalt und der öffentlich-rechtlichen Körperschaft "verfahrensrechtliche, standesrechtliche und gebührenrechtliche Beziehungen" entstehen, genießen sie den Schutz der Rechtsordnung, der nicht willkürlich beseitigt werden kann. Einerseits ist es dem Anwalt verwehrt, sich den mit der Beiordnung oder Bestellung verbundenen Pflichten zu entziehen (§ 48 Abs. 1 BRAO). Andererseits ist sein Vertrauen in den Bestand der Beiordnung oder Bestellung geschützt, weil sie grundsätzlich nicht einseitig von Amts wegen aufgehoben werden darf (vgl. zunächst § 48 Abs. 2 BRAO). Möglichkeiten zur Aufhebung der Beiordnung oder Bestellung können sich aber aus den jeweiligen Verfahrensgesetzen, auf denen die Beiordnung oder Bestellung beruht, ergeben (vgl. z.B.: § 124 Abs. 1 ZPO, hier in Verbindung mit der Aufhebung von Prozesskostenhilfe). Nach den jeweiligen Verfahrensgesetzen richtet sich auch, ob die (rechtswidrige) Aufhebung für den Anwalt anfechtbar ist.
Rz. 33
Der Fortbestand der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe ist allerdings abhängig von dem Fortbestand der Prozesskostenhilfe. Wird diese aufgehoben, weil einer der – abschließend aufgezählten – Gründe des § 124 Abs. 1 ZPO vorliegt, so entfällt auch die Beiordnung. Das ist zwar nicht ausdrücklich normiert, folgt aber aus dem Zweck der Beiordnung "im Wege der Prozesskostenhilfe". Unabhängig davon, dass die Aufhebung der Prozesskostenhilfe deren Vergünstigungen für die Partei rückwirkend entfallen lässt, gilt für die Beiordnung ein selbstständiger Bestandsschutz zugunsten des Anwalts. Die Gesetzesmaterialien lassen "den Willen des Gesetzgebers erkennen, sie für die Vergangenheit von der Aufhebung der Bewilligung von PKH unberührt zu lassen." Das folgt aus den unterschiedlichen Interessenlagen. In der Regel sind dem beigeordneten Anwalt die tatsächlichen Hintergründe für den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Umstände, die eine Aufhebung der Bewilligung rechtfertigen könnten, nicht bekannt....