Peter Fölsch, Norbert Schneider
a) Verteidigung gegen ein Anschlussrechtsmittel (Abs. 2)
Rz. 50
Abs. 2 S. 1, 1. Hs. erstreckt die im Wege der Prozesskostenhilfe erfolgte Beiordnung – nicht auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe – auch auf die Verteidigung gegen die Anschlussrechtsmittel der Berufung, der Beschwerde wegen des Hauptgegenstands, der Revision und der Rechtsbeschwerde wegen des Hauptgegenstands. Abs. 2 S. 1, 1. Hs. gilt nicht mehr entsprechend für die Verteidigung gegen die Anschlussbeschwerde gemäß § 567 Abs. 3 ZPO.
Rz. 51
Allerdings ist die Erstreckung der Beiordnung gemäß Abs. 2 S. 1 als solche nicht geeignet, die Partei von Kosten des Anschlussrechtsmittels zu befreien, weil es hierzu einer Regelung im Verhältnis Partei – Fiskus und folglich nach dem Wortlaut des § 122 Abs. 1 ZPO der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf. Die Beiordnung regelt hingegen nur das Verhältnis Anwalt – Fiskus und hat insbesondere die Vergütungspflicht der Staatskasse, nicht aber eine Entpflichtung der Partei von den Anwaltskosten zum Gegenstand. Nach dem Schutzzweck des Gesetzes ist jedoch eine großzügige Auslegung geboten, der rechtliche Bedenken nicht entgegenstehen, da es hier um die gewährende Verwaltung geht. Die Erstreckung der Beiordnung muss im Interesse der Partei so verstanden werden, dass die von der Beiordnung tatbestandlich vorausgesetzte Prozesskostenhilfe (siehe § 45 Rdn 33) inzidenter ebenfalls erstreckt werden soll. Angesichts der aufgezeigten sachlichen Zusammenhänge wäre es zudem reine Förmelei, wenn die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf die Verteidigung gegen das Anschlussrechtsmittel besonders angeordnet werden müsste, um die Wirkungen des § 122 Abs. 1 ZPO auszulösen.
Rz. 52
Eine Anschlussberufung liegt indes auch vor, wenn der in erster Instanz erfolgreich gewesene Kläger nunmehr eine Klageerweiterung verfolgt oder vom Feststellungsantrag zur Leistungsklage übergeht (§ 264 Nr. 2, 3 ZPO). Auf die Abwehr auch solcher Anträge erstreckt sich die Beiordnung ebenfalls, ohne dass eine gerichtliche Überprüfung dieser Rechtsverteidigung bereits erfolgt wäre. Selbige erweist sich jedoch in der Regel als entbehrlich, da die bereits vorgenommene Prüfung das jeweilige Grundverhältnis zum Gegenstand gehabt hat. Nur wenn nicht dieses, sondern lediglich ein spezielles Erfordernis der bisherigen Antragstellung als angreifbar angesehen worden sein sollte, kommt in Betracht, dass die Rechtsverteidigung gegen die neuen Anträge von Anfang an erfolglos erscheinen muss und gleichwohl auf Kosten der Staatskasse durchgeführt werden könnte. Für derartige Fälle sieht jedoch Abs. 2 S. 2 die Möglichkeit vor, die gesetzliche Erstreckung im Einzelfall durch ausdrückliche Regelung außer Kraft zu setzen.
b) Verteidigung gegen einen Widerantrag in Ehesachen und in Lebenspartnerschaftssachen (Abs. 5 S. 2 Nr. 4)
aa) Kostenbefreiung auch für Partei
Rz. 53
Die Erstreckung der Beiordnung ergibt sich mittelbar aus der eigentümlichen gesetzlichen Regelung in Abs. 5 S. 2 Nr. 4, indem die Rechtsverteidigung gegen den "Widerantrag" in Ehesachen und in Lebenspartnerschaften nach § 269 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FamFG von dem Grundsatz ausgenommen wird, dass sich die Beiordnung auf das Verfahren über eine Widerklage nur dann erstreckt, wenn dies ausdrücklich angeordnet ist. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes bewirkt die Erstreckung der Beiordnung auch hier nicht nur einen (erweiterten) Vergütungsanspruch des Anwalts gegen die Staatskasse, sondern ebenso wie die Erstreckung nach Abs. 2 S. 1 eine Befreiung der Partei von allen Kosten gemäß § 122 Abs. 1 ZPO, die aus der Verteidigung gegen den Widerantrag in einer Ehesache oder Lebenspartnerschaftssache nach § 269 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FamFG erwachsen. Die Rechtsverfolgung durch Antrag und die Rechtsverteidigung gegen den Widerantrag werden als Einheit angesehen, was aus der Besonderheit der jeweiligen Verbindung folgt.
Siehe hierzu auch Rdn 84 ff.
bb) Ehesachen
Rz. 54
Ehesachen sind gesetzlich definiert in § 121 FamFG als Oberbegriff für Scheidungssachen, Eheaufhebungssachen, und Sachen, welche die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien zum Gegenstand haben. Ein Widerantrag in Ehesachen kann schon aufgrund der prozessualen Zuständigkeitsregelung (§ 122 FamFG) nur eine Familiensache sein. Andere Verfahren scheiden als Widerantrag aus.
Rz. 55
Soweit es um eine Scheidungssache geht, entspricht die Erhebung des Widerantrags dem Leitbild des Gesetzes, dass die so genannten Folgesachen (§ 137 FamFG) im prozessualen Verbund mit der Scheidungssache entschieden werden sollen. Speziell für den Versorgungsausgleich ist in diesem Sinne geregelt, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einer Scheidungssache dieses Verfahren ohne Weiteres erfasst (§ 149 FamFG). Ist für einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe Prozesskostenhilfe bewilligt worden, so kann die Erstreckung der Beiordnung auf einen in diesem Verfahren erhobenen Widerantrag nur die Rechtsverteidigung gegen einen widerstreitenden Feststellungsantrag zum Gegenstand haben.
cc) Lebenspartnerschaftssachen
Rz. 56
Den Ehesachen gleichgestellt sind...