Peter Fölsch, Norbert Schneider
a) Andere Angelegenheiten
Rz. 67
Abs. 5 S. 1 trifft eine generelle Regelung für den Vergütungsanspruch des Anwalts gegenüber der Staatskasse, wenn sowohl ein Hauptsacheverfahren als auch begleitend dazu eine andere Angelegenheit, insbesondere ein "Nebenverfahren" anhängig ist. Erfasst von Abs. 5 ist die Tätigkeit in einer anderen (nicht in Abs. 2–4 genannten) Angelegenheit, die mit dem (zugehörigen) Hauptsacheverfahren nur zusammenhängt. Keine andere Angelegenheit i.S.v. Abs. 5 ist dabei die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels, die deshalb nicht mit den anderen Angelegenheiten nach Abs. 5 gleichgesetzt und dem abgeschlossenen Rechtszug zugeordnet werden kann. Wird das Nebenverfahren isoliert betrieben, besteht ein Anspruch des Anwalts gegen die Staatskasse nur, wenn der Partei speziell für dieses Verfahren Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet worden ist. Deshalb ist in Strafsachen für den Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse für die Tätigkeit im Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff. StPO) eine ausdrückliche Beiordnung im Wege der PKH erforderlich. Die Beiordnung braucht dann nicht näher beschrieben zu werden. Aufgrund der Reichweite der Bewilligung (vgl. Rdn 13) umfasst sie ohne Weiteres das gesamte Nebenverfahren.
b) Ausdrückliche Beiordnung
Rz. 68
Die Technik des Gesetzes, es im Fall einer gleichzeitigen Anhängigkeit von Hauptverfahren und Nebenverfahren bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Hauptverfahren zu belassen und nur eine ausdrückliche Erstreckung der Beiordnung auf das Nebenverfahren vorzusehen, scheint den Grundsatz zu durchbrechen, dass eine Bewilligung nicht verfahrensübergreifend gilt (vgl. Rdn 13). Tatsächlich wird jedoch dieser Grundsatz prinzipiell bestätigt, indem für das Nebenverfahren eine ausdrückliche Beiordnung gefordert wird. Eine stillschweigende Beiordnung reicht damit nicht aus und wird von Abs. 5 nicht erfasst. Eine sich aus einer Bewilligungsentscheidung konkludent ergebende Erstreckung der Beiordnung soll ausreichend sein.
Rz. 69
Damit ist einerseits klargestellt, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedenfalls insoweit, als es um die damit verbundene Beiordnung geht, nicht auch das Nebenverfahren erfasst. Zum anderen befindet das Gericht mit der Erstreckung der Beiordnung darüber, ob das Nebenverfahren Aussicht auf Erfolg bietet, weil ansonsten eine Beiordnung nicht notwendig und also die Erstreckung abzulehnen wäre. Diese Prüfung ist die nämliche wie in § 114 ZPO. Deshalb schließt die Erstreckung der Beiordnung die Erweiterung der Prozesskostenhilfe und deren Wirkungen (§ 122 Abs. 1 ZPO) ebenso wie im Fall einer gesetzlichen Erstreckung der Beiordnung mit ein. Insbesondere ist die Partei ohne ausdrückliche Bewilligung auch für das Nebenverfahren von Gerichtskosten befreit.
c) Vereinfachte Erstreckung der Beiordnung
Rz. 70
Wird die Auffassung vertreten, dass Abs. 5 S. 1 keine vereinfachte Erstreckung der Beiordnung (ohne ausdrückliche Erweiterung der Gewährung von Prozesskostenhilfe) zulässt, hat das für den beigeordneten Anwalt letztlich keine praktischen Auswirkungen. Denn soweit ersichtlich, wird daraus von niemandem die Konsequenz gezogen, dass eine isolierte Erstreckung der Beiordnung nichtig sei und also keine Rechtsgrundlage für einen Vergütungsanspruch des Anwalts gegen die Staatskasse abgebe. Die Erstreckung ist bindend für die Vergütungsfestsetzung gem. § 55. Daher ist auch bei bloßer Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren ohne Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe diese Erstreckung für die Festsetzung gem. § 55 unabhängig davon bindend, ob die Voraussetzungen einer Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe gem. § 404 Abs. 5 S. 1 StPO, §§ 114 ff. ZPO tatsächlich vorlagen.
Rz. 71
Unterbleibt die Erstreckung der Beiordnung oder wird sie abgelehnt, scheidet die Inzidenter-Wirkung der Beiordnung aus. Die Partei kann das Nebenverfahren mit staatlicher Unterstützung nur noch ohne Anwalt und auch nur dann betreiben, wenn ihr insoweit (jedenfalls) Prozesskostenhilfe ausdrücklich bewilligt wird. Die Prozesskostenhilfe für das Hauptverfahren erfasst nicht ohne weiteres auch das Nebenverfahren.