Peter Fölsch, Norbert Schneider
a) Nicht ausdrücklich genannte Angelegenheiten
Rz. 72
Ist der Partei "für das Hauptverfahren" Prozesskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet worden, lässt Abs. 5 S. 1 jede Art von Erstreckung der Beiordnung durch das erkennende Gericht zu, ohne dass es zudem einer Erweiterung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedürfte. Die Aufzählung von verschiedenen Möglichkeiten in Abs. 5 S. 2 ist nur beispielhaft und nicht abschließend ("insbesondere"), ohne dass von vornherein klar auf der Hand läge, welche dort nicht genannten Konstellationen erfasst sein sollen. Von Abs. 5 wird z.B. das Adhäsionsverfahren erfasst, für das eine ausdrückliche Beiordnung erforderlich ist, vgl. Rdn 67. Von Abs. 5 werden auch Vereinbarungen bzw. Vergleiche über von Abs. 3 nicht erfasste familienrechtliche Angelegenheiten erfasst, wenn sie im Zusammenhang mit der Ehesache stehen.
Rz. 73
Wird davon ausgegangen, dass der Begriff "Beiordnung" in Abs. 5 auch Bestellungen umfasst, also nicht nur Beiordnungen im Wege der PKH erfasst sein sollen, muss der im Strafverfahren bestellte Pflichtverteidiger in der Strafvollstreckung auf eine erneute Pflichtverteidigerbestellung (vgl. insoweit § 463 Abs. 3 S. 4 und 5 StPO) hinwirken. Die Pflichtverteidigerbestellung endet mit der Rechtskraft des letzten tatinstanzlichen Urteils und erstreckt sich daher nicht auf die Strafvollstreckung, die mit der Strafsache nur zusammenhängt.
b) Ausdrücklich genannte Angelegenheiten
Rz. 74
Es ist nicht erforderlich, dass die Erstreckung jeweils eine andere "Angelegenheit" (Abs. 5 S. 1) im technischen bzw. gebührenrechtlichen Sinn (§ 15) umfassen muss. Zwar gelten auch die Verfahren betreffend einen Arrest, eine einstweilige Verfügung, den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung oder eine einstweilige bzw. vorläufige Anordnung (Nr. 2) grundsätzlich als besondere Angelegenheiten (§ 17 Nr. 4, § 18 Abs. 1 Nr. 1). Teilweise werden jedoch mehrere gleichartige Nebenverfahren zu einer Angelegenheit zusammengefasst (§ 18 Abs. 1 Nr. 1). Außerdem bildet die Verteidigung gegen eine Widerklage (Nr. 4) nur einen eigenen Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit nach § 22 Abs. 1.
aa) Zwangsvollstreckung, Vollstreckung und Verwaltungszwang (Nr. 1)
Rz. 75
Die Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Rechtsstreit bzw. das Hauptsacheverfahren erstreckt sich nicht auf die Zwangsvollstreckung, die Vollstreckung (vgl. z.B. §§ 86 ff. FamFG) und das Verwaltungszwangsverfahren. Insoweit muss gem. § 119 ZPO vom Vollstreckungsgericht gesondert PKH bzw. VKH bewilligt (vgl. § 119 Abs. 2 ZPO; § 76 FamFG) und nach Abs. 5 S. 2 Nr. 1 ein Rechtsanwalt gesondert ausdrücklich beigeordnet werden. Das gilt sowohl für den Gläubiger als auch für den Schuldner.
Rz. 76
Gem. § 119 Abs. 2 ZPO umfasst die Bewilligung von PKH für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung. Die Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen bedarf damit einer gesonderten Bewilligung. Über die Beiordnung eines Rechtsanwalts entscheidet das Vollstreckungsgericht neben der Bewilligung aber stets gesondert, vgl. § 121 Abs. 2 ZPO. So ist die Bewilligung von PKH ohne Beiordnung eines Rechtsanwalts ohne Weiteres möglich. Eine umfassende Beiordnung eines Rechtsanwalts für alle Vollstreckungsmaßnahmen ist damit nicht zwingend.
Rz. 77
Die Erinnerung gem. § 766 ZPO gehört gem. § 19 Abs. 2 Nr. 2 zu der angefochtenen Vollstreckungsmaßnahme i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2. Die Tätigkeit im Erinnerungsverfahren löst daher keine eigenständige Gebühr aus, sondern ist mit der bereits verdienten Gebühr für die Vollstreckungsmaßnahme abgegolten. Andererseits gilt die gesonderte ausdrückliche Beiordnung für die Zwangsvollstreckung aber auch für das Erinnerungsverfahren.
Rz. 78
Beschwerdeverfahren in Vollstreckungsangelegenheiten (§ 793 ZPO) bilden gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit. Deshalb ist hierfür eine gesonderte PKH-Bewilligung und eine ausdrückliche Beiordnung erforderlich.
Rz. 79
Aus der Vollstreckung hervorgehende Rechtsstreitigkeiten (§§ 767, 771 ZPO) bilden eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit, so dass hierfür eine gesonderte PKH-Bewilligung und Beiordn...