I. Vergütungsanspruch

 

Rz. 1

§ 45 und § 48 gehören inhaltlich zusammen. Der durch das KostRÄG 2021 geänderte Abs. 1 S. 1 wiederholt deshalb den in § 45 aufgestellten Grundsatz, dass der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse auf die gesetzliche Vergütung gerichtet ist. Diese besteht aus Gebühren und Auslagen (§ 1 Abs. 1 S. 1). Es wird deshalb in Abs. 1 der allgemein gültige Grundsatz formuliert, dass der Anspruch von bestellten oder beigeordneten Rechtsanwälten auf die gesamte gesetzliche Vergütung gerichtet ist, die durch die von der Beiordnung oder Bestellung erfassten Tätigkeiten entstanden ist. Warum der Gesetzgeber die Auslagen- und Vorschussregelung in §§ 46 und 47 im Zuge des 1. KostRMoG dazwischen geschoben und hierdurch den Sachzusammenhang zerrissen hat, ist allerdings unverständlich.[1] Das KostRÄG 2021 will durch Änderungen in Abs. 1 (Änderung von S. 1 und Hinzufügung von Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 (Hinzufügung von Nr. 7) und Abs. 6 S. 3 Anwendungsprobleme beseitigen, die zu einer unterschiedlichen praktischen Umsetzung und zu divergierender Rechtsprechung geführt haben.[2]

 

Rz. 2

Die Verwendung der Begriffe "Beiordnung" und "Bestellung" gerät insbesondere im Rahmen von Abs. 6 (Angelegenheiten nach VV Teil 4–6) scheinbar durcheinander. So stellt S. 1 im ersten Hs. auf die Beiordnung oder Bestellung ab, regelt die Rechtsfolge aber nur für die Bestellung. S. 2 erfasst im ersten Hs. die Beiordnung, um anschließend bei der Auswirkung wieder auf die Bestellung abzustellen. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber in Abs. 6 nicht zwischen Bestellung und Beiordnung unterscheiden wollte.[3] Die Rechtsprechung sieht das allerdings teilweise anders und kommt deshalb zu unzutreffenden Ergebnissen.[4]

 

Rz. 3

Geregelt wird in erster Linie der Umfang des durch die Beiordnung oder Bestellung begründeten öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses. Das ist vergleichbar mit dem Auftragsumfang im Zivilrecht. Hierdurch wird festgelegt, welche gebührenpflichtigen Tätigkeiten, die der Anwalt im Einzelnen erbringt, von seinem Vergütungsanspruch gegen die Staats- oder Landeskasse (§ 45 Abs. 1) konkret erfasst werden, also wie eine Auftragsausführung abzurechnen ist.

[1] Vgl. auch BT-Drucks 19/23484, S. 79, wonach Abs. 1 die Regelung des § 45 Abs. 1 konkretisiert.
[2] BT-Drucks 19/23484, S. 78.
[4] Vgl. OLG Celle 13.11.2018 – 2 Ws 426/18, AGS 2019, 35, das § 48 Abs. 6 für den im Wege der PKH gem. § 397a Abs. 2 ZPO zugezogenen Nebenkläger-Vertreter für unanwendbar hält.

II. Prozesskostenhilfe

 

Rz. 4

Inwieweit die bedürftige Partei zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung staatliche Unterstützung erhält, bestimmt sich in erster Linie nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Hierdurch wird sowohl der Gegenstand der hinreichend Erfolg versprechenden Rechtswahrnehmung als auch deren Umfang festgelegt. Wird der Partei ohne ausdrückliche Einschränkung ein Anwalt beigeordnet, so darf sie sich in demselben Umfang kostenfrei seiner Mitwirkung versichern, wie ihr Prozesskostenhilfe bewilligt wurde; Bewilligung und Beiordnung sind grundsätzlich deckungsgleich. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist sowohl Voraussetzung für die Beiordnung (vgl. § 45 Rdn 33) als auch im Regelfall Bestimmungsgröße des Auftragsvolumens, für das die Staats- oder Landeskasse einzustehen hat.[5] Diese Abhängigkeit bedingt, dass der beigeordnete Anwalt zwecks Sicherung seiner Entlohnung ein eigenes Interesse nicht nur am Bestand seiner Beiordnung, sondern auch am inhaltlichen Umfang und Fortbestand der Prozesskostenhilfe zugunsten der Partei hat.

 

Rz. 5

Neben der Festlegung des Rahmens, der die Vergütungspflicht der Staatskasse eingrenzt, gilt es, solche Fallgestaltungen aufzuzeigen und zu regeln, wo es nach den beteiligten Interessen oder der Zweckrichtung einer anwaltlichen Tätigkeit sinnvoll erscheinen kann, dass diese von der Staatskasse ebenfalls vergütet wird, obwohl sie an sich über den Geltungsbereich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinausgeht. Auch hiermit befasst sich die Vorschrift, so dass ihr für den beigeordneten Anwalt eine grundlegend anspruchsbestimmende Bedeutung zukommt.

 

Rz. 6

Dies macht insbesondere § 48 Abs. 3 S. 1 deutlich. Der Gesetzgeber stellt klar, dass sich die Beiordnung in einer Ehesache auch auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der VV 1000, der den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten, den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander, die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, die Regelung des Umgangs mit einem Kind, die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen, die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht und den Versorgungsausgleich[6] betrifft, erstreckt und alle in diesem Zusammenhang anfallenden Gebühren zu erstatten sind.[7] Das KostRÄG 2021 stellt durch den neu angefügten Abs. 1 S. 2 darüber hinaus klar, dass allgemein für alle Verfahrensarten der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse im Falle der Erstreckung der Be...

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