Rz. 81
Der Pflichtverteidiger muss seine Dienste in Person leisten. Im Falle notwendiger Verteidigung muss bei seinem Ausbleiben das Gericht einen anderen Pflichtverteidiger bestellen (§ 145 StPO). Zulässig ist es allerdings auch für den Pflichtverteidiger, dass er sich vertreten lässt. Ebenso wie bei der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe stellt sich hier die Frage, ob der Pflichtverteidiger in Fällen seiner Vertretung dennoch nach § 5 einen Vergütungsanspruch erwirbt. Dabei muss zwischen den Ansprüchen gegen die Staatskasse und denen gegen den Beschuldigten differenziert werden.
I. Anspruch gegen die Staatskasse
1. Vergütung
Rz. 82
Lässt sich der Pflichtverteidiger vertreten, so muss er, um über § 5 einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu erwerben, zuvor die Zustimmung des Gerichts einholen; anderenfalls steht ihm keine Vergütung zu, auch nicht für die in § 5 genannten Personen. Das ergibt sich letztlich daraus, dass der Pflichtverteidiger vom Gericht bestellt wird und es – im Gegensatz zur Prozesskostenhilfe – eines Auftrags des Mandanten nicht bedarf.
Rz. 83
Die Rspr. differenziert hier häufig nicht und verwechselt die Bestellung des weiteren Anwalts als Vertreter mit der Bestellung zum weiteren Verteidiger. Zum Teil werden auch Entscheidungen mit missverständlichen Leitsätzen veröffentlich, was zu weiteren Missverständnissen führt. Zutreffend hat dies das OLG Rostock ausgedrückt: "Die Beantwortung der Frage, ob der sogenannte “Terminvertreter’ des verhinderten Pflichtverteidigers als weiterer “Vollverteidiger’ oder aber nur als “Vertreter’ bestellt wurde, hängt von der Formulierung des gerichtlichen Beschlusses ab. Hiernach richtet sich dann auch der Gebührenanspruch des Terminsvertreters."
Rz. 84
In Betracht kommen zwei Möglichkeiten:
▪ |
der (Ersatz-)Anwalt wird als weiterer Pflichtverteidiger beauftragt. |
▪ |
der (Ersatz-)Anwalt wird als Vertreter des Pflichtverteidigers beauftragt. |
Rz. 85
Im ersten Fall – also im Falle einer echten weiteren Pflichtverteidigerbestellung – erwirbt der (Ersatz-)Anwalt gegenüber der Landeskasse einen Anspruch auf die Gebühren eines Vollverteidigers, da er für den Zeitraum der Beiordnung sämtliche Rechte und auch Pflichten eines Pflichtverteidigers hat. Er erhält daher, da er sich einarbeiten muss, zunächst eine Grundgebühr (VV 4100). Da er das Verfahren – zumindest zeitweise – betreibt, erhält er auch eine Verfahrensgebühr (VV Vorb. 4 Abs. 2). Hinzu kommt eine Terminsgebühr (VV Vorb. 4 Abs. 3) für jeden Tag der Hauptverhandlung.
Rz. 86
Im zweiten Fall, sofern man ihn nach der StPO überhaupt für zulässig hält, – also bei Bestellung eines Anwalts als Vertreter des Pflichtverteidigers – wird der (Ersatz-)Anwalt nicht durch das Gericht zum weiteren Pflichtverteidiger beigestellt, sondern nur als Hilfsperson des Pflichtverteidigers. Als solche Hilfsperson erwirbt er aber keinen eigenen Anspruch gegen die Landeskasse, sondern nur einen Anspruch gegen den vertretenen Pflichtverteidiger. Der Vertretene wiederum kann mit der Landeskasse gemäß § 5 RVG abrechnen, und zwar so, als hätte er den Termin selbst wahrgenommen.
Rz. 87
Soweit ein Stellvertreter außerhalb des § 5 tätig geworden ist, kommt auch die Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 51 nicht in Betracht.
Rz. 88
Kein Fall der Genehmigung liegt vor, wenn das Gericht nach Niederlegung des Mandats den bei dem Verteidiger in Stage befindlichen Referendar bestellt. Da der Anwalt nicht mehr bestellt ist, liegt kein Fall des § 5 vor. Ansprüche kann allenfalls der bestellte Referendar geltend machen. Seine Pflichtverteidigertätigkeit wird jedoch bereits durch die Referendarbezüge abgegolten.
Rz. 89
Eine Ausnahme gilt lediglich für den bestellten allgemeinen Vertreter nach § 53 BRAO. Bei dessen Tätigwerden erhält der Pflichtverteidiger seine Vergütung, und zwar, ohne dass es einer Zustimmung des Gerichts bedarf. Auch eine vorherige Anzeige an die Anwaltskammer ist nicht erforderlich.