1. Grundsatz
Rz. 9
Nach §§ 613 S. 1, 675 BGB hat der Rechtsanwalt seine Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Er hat danach sowohl die Entgegennahme der Information, die Besprechungen mit dem Mandanten als auch die juristische Tätigkeit in Ausführung des Mandats persönlich zu leisten. Lediglich Hilfs- oder Zuarbeiten darf er anderen Personen oder Mitarbeitern übertragen.
2. Ausnahmen
Rz. 10
Von diesem Grundsatz (vgl. Rdn 9) gibt es zwei Ausnahmen:
Rz. 11
a) Eine Stellvertretung durch andere Personen ist immer dann zulässig, wenn dies mit dem Auftraggeber vereinbart ist.
Rz. 12
b) Darüber hinaus ist eine Stellvertretung auch dann zulässig, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass eine Stellvertretung erforderlich und ein erkennbares gegenläufiges Interesse des Auftraggebers nicht ersichtlich ist (§§ 675, 665 S. 1 BGB). Es dürfen also keine ernsthaften Zweifel daran bestehen, dass der Auftraggeber mit der Stellvertretung einverstanden gewesen wäre, wenn er ausdrücklich befragt worden wäre.
Rz. 13
Hierzu zählen die Fälle, in denen ein Vertreter den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrnimmt, sofern dort keine weiteren Erörterungen der Sache stattfinden, wie etwa bei einem Durchlauftermin, bei einem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils, bei Durchführung eines bloßen Protokollierungstermins o.Ä. Selbst dann, wenn in dem Termin Erörterungen der Sache stattfinden, kann eine Stellvertretung im mutmaßlichen Interesse des Mandanten liegen und zulässig sein, etwa wenn die Sache besonders dringend ist und der Anwalt anderenfalls wegen Verhinderung eine Terminsverlegung beantragen müsste. Hier ist das Interesse des Mandanten an einer zügigen Erledigung des Verfahrens mit dem Interesse, durch den Anwalt persönlich vertreten zu werden, gegeneinander abzuwägen.
Rz. 14
In einfach gelagerten Fällen dürfte grundsätzlich von der Zulässigkeit einer Stellvertretung auszugehen sein. Hier wird man eine ausdrückliche gegenteilige Weisung des Auftraggebers fordern müssen, will man dem beauftragten Anwalt untersagen, einen Stellvertreter zu beauftragen. In Anbetracht der häufig auftretenden Terminsüberschneidungen ist es dem Anwalt häufig gar nicht möglich, sämtliche Termine selbst wahrzunehmen, zumal sich dann durch zahlreiche Verlegungsanträge die Erledigung der Mandate erheblich verzögern würde, was wiederum nicht im Interesse des Auftraggebers liegt.
Rz. 15
Ein mutmaßliches Einverständnis des Auftraggebers wird ferner dann unterstellt werden können, wenn durch die persönliche Terminswahrnehmung erhebliche Kosten entstehen würden, insbesondere wenn diese Kosten auch bei einem Obsiegen nicht erstattungsfähig wären.
Beispiel: Ein in Hamburg ansässiges Kreditinstitut beauftragt in einer einfachen Sache einen Hamburger Rechtsanwalt, vor dem AG Stuttgart Klage wegen eines Betrags in Höhe von 1.000 EUR zu erheben. Der Hamburger Anwalt führt diesen Auftrag aus und bestellt für die Wahrnehmung des Termins vor dem AG Stuttgart im eigenen Namen einen Kollegen als Stellvertreter (nicht einen Verhandlungsvertreter nach VV 3401, 3402), mit dem er ein Pauschalhonorar für die Terminswahrnehmung vereinbart.
Die Kosten einer persönlichen Terminswahrnehmung durch den prozessbevollmächtigten Hamburger Anwalt wären ebenso wie die Kosten eines Terminsvertreters nicht erstattungsfähig gewesen, da wegen der Einfachheit der Sache der Stuttgarter Anwalt schriftlich hätte unterrichtet werden können. Es lag daher im mutmaßlichen Interesse des Auftraggebers, hier für die Verhandlung einen Stellvertreter zu beauftragen und damit nicht erstattungsfähige Kosten zu vermeiden.
Rz. 16
Zu beachten ist allerdings, dass hinsichtlich des mutmaßlichen Interesses des Auftraggebers eine allgemein gültige Regel nicht aufgestellt werden kann. Es sind jeweils die Interessen im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Wenn es dem Auftraggeber wegen der Besonderheit des Falles erkennbar darauf ankommt, dass ausschließlich der von ihm beauftragte Rechtsanwalt den Termin wahrnehmen soll, ist eine Stellvertretung nicht zulässig. Der Anwalt sollte den Auftraggeber in diesen Fällen allerdings auf die anfallenden Mehrkosten hinweisen, um sich später nicht Regressansprüchen ausgesetzt zu sehen.
Rz. 17
Überträgt der Anwalt die Ausübung seiner Dienste auf Stellvertreter, so haftet er für deren Fehlverhalten nach § 278 BGB persönlich.
3. Vergütungsvereinbarungen
Rz. 18
Haben die Parteien eine Vergütungsvereinbarung getroffen, so ist zu prüfen, ob darin nicht gleichzeitig – zumindest konkludent – auch eine Vereinbarung zu sehen ist, dass eine Stellvertretung nicht zulässig sei. Auch hier kommt es auf den Einzelfall an. Es lässt sich nicht grundsätzlich sagen, dass jede Vergütungsvereinbarung zugleich auch die Vereinbarung en...