Rz. 119

Ein Vorschuss auf die Pauschvergütung war bislang gesetzlich nicht vorgesehen. Die Zahlung eines Vorschusses ist an sich auch nicht möglich, weil sowohl die Frage, ob überhaupt eine Pauschvergütung zu bewilligen ist, als auch die Frage, in welcher Höhe dem Anwalt eine Pauschvergütung zusteht, erst beantwortet werden kann, wenn das Verfahren, zumindest der Verfahrensabschnitt, abgeschlossen ist, für den die Pauschvergütung bewilligt werden soll. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass es für den Anwalt insbesondere bei lang andauernden Strafverfahren unzumutbar ist, bis zum rechtskräftigen Abschluss zu warten, da die allgemeinen Kosten seiner Kanzlei weiterlaufen. Um insoweit eine Benachteiligung des Pflichtverteidigers zu vermeiden, hat die Rechtsprechung die Bewilligung von Abschlagszahlungen zugelassen.[118] Nunmehr sieht Abs. 1 S. 5 ausdrücklich vor, dass dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Anwalt ein angemessener Vorschuss zu bewilligen ist, wenn ihm insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten. Der Anwalt kann daher also schon vor Fälligkeit seiner Vergütung Abschlagszahlungen in Form eines Vorschusses auf die zu erwartende Pauschvergütung verlangen. Das Gericht prüft dann, ob eine Pauschvergütung mit Sicherheit zu erwarten ist und durch den weiteren Verfahrensverlauf nicht mehr nach unten beeinflusst werden kann.[119] Ist dies der Fall, kann es die beantragten Vorschusszahlungen bewilligen. Auch bei länger andauernder vorläufiger Einstellung nach § 205 StPO kann eine Vorschusszahlung bewilligt werden.[120] Ebenso kommt die Bewilligung einer Vorschusszahlung für die Abfassung der Revisionsbegründung in Betracht.[121]

 

Rz. 120

Für die Bewilligung eines Vorschusses auf eine demnächst zu gewährende Pauschgebühr nach Abs. 1 Satz 4 RVG ist auf die Kriterien abzustellen, die die Rechtsprechung zum Vorschuss auf eine Pauschgebühr unter Geltung der BRAGO entwickelt hat.[122]

 

Rz. 121

Danach kommt ein Vorschuss nur dann in Betracht, wenn im Rahmen einer Gesamtschau die Bewilligung der Pauschgebühr mit Sicherheit zu erwarten ist.[123]

 

Rz. 122

Weiterhin ist erforderlich, dass es dem bestellten Verteidiger nicht zugemutet werden kann, die endgültige Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten. Der Gesetzgeber hat die mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz neu eingeführte Möglichkeit der Vorschussgewährung nur für besonders langwierige Verfahren gedacht, in denen die Rechtskraft häufig erst nach mehreren Jahren eintritt, der Pflichtverteidiger erst dann die Festsetzung einer Pauschvergütung beantragen könnte und es daher unbillig wäre, ihn hierauf zu verweisen (vgl. BT-Drucks 15/1971 S. 202).[124]

 

Rz. 123

Nach Auffassung des OLG Frankfurt[125] ist der Anwendungsbereich der Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 gegenüber § 99 erheblich eingeschränkt. Eine Pauschgebühr soll in Abweichung von der früheren Rechtslage nur noch zu bewilligen sein, wenn die im Vergütungsverzeichnis bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind.

 

Rz. 124

Das BVerfG hat sich in einer aktuellen Entscheidung[126] mit der Frage des Vorschusses unter Berücksichtigung des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG zu befassen gehabt und die Entscheidung der Vorinstanz, die einen Vorschuss abgelehnt hatte, wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben. Das BVerfG stellt in seiner Entscheidung klar, dass Art. 12 Abs. 1 GG es gebietet, dem Pflichtverteidiger einen (angemessenen) Vorschuss zu zahlen, wenn das Strafverfahren lange dauert, eine höhere Pauschgebühr mit Sicherheit zu erwarten ist und es für den Verteidiger unzumutbar ist, die Festsetzung der endgültigen Pauschgebühr abzuwarten.[127] Danach ist die Bewilligung eines Vorschusses auf die Pauschgebühr geboten, wenn das Strafverfahren voraussichtlich lange Zeit dauern wird, die höhere Pauschgebühr mit Sicherheit zu erwarten ist und dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten ist, die Festsetzung der endgültigen Pauschgebühr abzuwarten. Dabei kann es nicht zu Lasten des Pflichtverteidigers gehen, wenn das Verfahren über einen nicht unerheblichen Zeitraum keinen Fortgang nimmt und der weitere Verfahrensablauf nicht im Einzelnen prognostizierbar ist. Der Staat darf sich nicht zu Lasten des Beschwerdeführers auf Umstände berufen, die – wie die unterlassene Förderung des Verfahrens – im staatlichen Verantwortungsbereich liegen. Unerheblich ist, ob die Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr zu einem späteren Zeitpunkt einfacher zu prognostizieren sein wird, weil sich dann die zu erwartende Höhe der Pauschvergütung insgesamt – einschließlich der Terminsgebühren – besser überblicken lasse. Einem Pflichtverteidiger ist nicht zuzumuten, abzuwarten, bis die Pauschvergütung nach Abschluss des Verfahrens festgesetzt wird.

 

Rz. 125

Die Höhe der Abschlagzahlung ist nach der ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?