Rz. 15

Die Bewilligung einer Pauschvergütung kommt nach Abs. 1 S. 1 nur dann in Betracht, wenn das Verfahren einen besonderen Umfang oder eine besondere Schwierigkeit aufweist. Bis zur Änderung der Vorschrift des § 99 BRAGO durch das KostRÄndG 1975 mussten die Verfahren "außergewöhnlich" schwierig oder umfangreich gewesen sein. Diese hohen Anforderungen sollten durch die Änderung des Gesetzeswortlauts in "besonders" abgemildert werden.

 

Rz. 16

"Besonders" i.S.d. § 51 bedeutet "anders als gewöhnlich".[13] Die Anforderungen dürfen nicht zu hoch angesetzt werden.

 

Rz. 17

Aus der Formulierung "oder" ergibt sich, dass sowohl der besondere Umfang als auch die besondere Schwierigkeit für sich bereits zu einer Pauschvergütung führen können. Beide Merkmale müssen nicht zugleich gegeben sein. Denkbar ist auch, dass der Umfang und die Schwierigkeit für sich genommen die Bewilligung einer Pauschvergütung noch nicht rechtfertigen, eine Gesamtbetrachtung von Umfang und Schwierigkeit aber zur Bewilligung einer Pauschvergütung führt.[14]

 

Rz. 18

Maßgebender Zeitraum für die Beurteilung der besonderen Schwierigkeit und des besonderen Umfangs ist grundsätzlich nur der Zeitraum ab Bestellung. Vorangegangene Tätigkeiten des Pflichtverteidigers als Wahlverteidiger bleiben außer Betracht.[15] Hiervon gilt allerdings dann eine Ausnahme, wenn § 48 Abs. 6 greift. Erhält der Pflichtverteidiger danach für die Zeit vor seiner Bestellung die Gebühren aus der Staatskasse, so muss auch für diese Tätigkeiten bei besonderem Umfang oder besonderer Schwierigkeit eine Pauschvergütung bewilligt werden. Dies entspricht der bislang h.M.[16] Nach a.A. sollte sich die Rückwirkung nach § 48 Abs. 6 (bis zum 31.7.2013: Abs. 5; bis zum 31.6.2004: § 97 Abs. 3 BRAGO) dagegen nur auf die gesetzlichen Gebühren (vormals: des § 97 Abs. 1 BRAGO) beziehen, nicht auch auf die Pauschvergütung nach § 51 (vormals: § 99 BRAGO).[17] Diese Ansicht war jedoch unzutreffend. Die Pauschvergütung tritt an die Stelle der Gebühren des Vergütungsverzeichnisses (vgl. Rdn 94). Daher muss sie auch an die Stelle der Gebühren nach § 48 Abs. 6 treten. Das ist jetzt in Abs. 2 S. 4 ausdrücklich geregelt, so dass sich diese Streitfrage damit erledigt hat.

 

Beispiel: Nach Anklageerhebung wird der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Er war bereits im vorbereitenden Verfahren tätig.

Nach § 48 Abs. 6 kann er die Pflichtverteidigervergütung aus der Staatskasse auch für das vorbereitende Verfahren verlangen. Folglich kann ihm insoweit auch eine Pauschgebühr nach § 51 bewilligt werden.

 

Rz. 19

Maßgeblich ist der Umfang der Beiordnung. Darüber hinaus entfaltete Tätigkeiten sind bei der Festsetzung einer Pauschgebühr nicht zu berücksichtigen.[18]

 

Rz. 20

Billigkeitserwägungen haben bei der Entscheidung, ob eine Pauschvergütung zu bewilligen ist, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, da der Pflichtverteidiger einen gesetzlichen Anspruch auf die Pauschvergütung hat.[19]

 

Rz. 21

Andererseits kann in einem Verfahren, in dem mehrere Pflichtverteidiger tätig sind, von denen der eine seine gesetzlichen Gebühren nach der BRAGO erhält, der andere aber schon nach RVG, eine höhere als die nach der BRAGO angemessene Pauschgebühr für den Rechtsanwalt, der nach BRAGO abrechnet, nicht damit begründen werden, dass sein Mitverteidiger insgesamt nach dem RVG abrechnet und ihm damit für die gleiche Tätigkeit höhere Gebühren zustehen.[20]

 

Rz. 22

Einige Gerichte haben Leitlinien aufgestellt.[21] Hiergegen werden zum Teil Bedenken erhoben, da die zu treffenden Entscheidungen fallbezogen sein müssen und stets die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigten sind. Die nach Abs. 1 anzustellende Gesamtbetrachtung ist einer Schematisierung daher grundsätzlich nicht zugänglich.[22]

[13] Burhoff, ZAP Fach 24, S. 625, 626.
[14] OLG München JurBüro 1976, 638.
[15] OLG Stuttgart AGS 2000, 109 = JurBüro 1999, 415.
[16] KG StV 1997, 425; OLG Jena JurBüro 1999, 132; StV 2000, 94; OLG Oldenburg StV 2000, 443; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 158; OLG Saarbrücken JurBüro 1997, 361; Burhoff, ZAP Fach 24, S. 625, 626.
[17] OLG Hamm AGS 2000, 131, das seine Rspr. zwischenzeitlich allerdings geändert hat (OLG Hamm 17.5.2001 – 2 (s) Sbd. 6 – 72/01); OLG Karlsruhe Rpfleger 1997, 451; OLG Koblenz JurBüro 1997, 530; OLG München StV 1997, 427.
[19] Burhoff, ZAP Fach 24, S. 625, 626; a.A. OLG Hamburg JurBüro 1990, 354; OLG Düsseldorf AGS 1999, 71.
[20] OLG Hamm RVGreport 2005, 419; ebenso OLG Köln 6.1.2006 – 2 AR2 231/05, veröff. bei www.burhoff.de (allein die Hauptakten umfassten 13 Bände, zu denen noch ebenfalls umfangreiche Beiakten hinzukamen).
[21] OLG Schleswig JurBüro 1986, 197 = SchlHA 1985, 184; StraFo 1998, 393; OLG Celle StraFo 1995, 28; für Großverfahren auch OLG Köln NJW 1966, 1281.
[22] OLG Hamburg MDR 1987, 607.

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