Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 7
Dieses bis zur Kodifikation des Schuldrechts ungeschriebene und nunmehr in § 280 Abs. 1 BGB normierte Tatbestandsmerkmal der Verschuldenshaftung begrenzt die Verantwortlichkeit aus Gründen, die sich aus Gestaltung und Inhalt der jeweiligen Rechtsbeziehung ergeben, nicht hingegen aus einer individuellen Einstellung oder intellektuellen Schwäche des Pflichtigen. Für ein Handeln in Einklang mit der Rechtsordnung braucht sich niemand zu verantworten. Es geht hier nicht um die Frage von persönlicher Schuld des Anwalts, sondern darum, ob sein tatsächliches Verhalten der von ihm geschuldeten Handlungsweise genügt. Mithin bedarf es zunächst der Darlegung einer Verpflichtung aus dem Anwaltvertrag oder sonstiger Art, welcher der Anwalt zuwidergehandelt haben soll.
Rz. 8
Bei Übernahme des Mandats muss der Anwalt sich die Frage stellen und prüfen, ob er die Geschäftsbesorgung voraussichtlich wohl bis zum Schluss, nämlich bis zur Erledigung des Auftrages oder Beendigung der Angelegenheit (§ 8), wird ausführen können. Das folgt ohne weiteres aus der Gesamtheit der Auftragserteilung und der Erwartung des Auftraggebers, keinen weiteren Anwalt einschalten zu müssen. Hat der Anwalt insoweit Anlass für Bedenken, ist es seine vorvertragliche Pflicht, diese offenzulegen, um dem Auftraggeber die Möglichkeit einzuräumen, entweder das Risiko einer vorzeitigen Mandatsbeendigung einzugehen oder sogleich einen anderen Anwalt zu beauftragen. Unterlässt er einen solchen Hinweis, obwohl dieser den Umständen nach angezeigt gewesen wäre, handelt er in jedem Fall objektiv pflichtwidrig. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob er die Bedenken tatsächlich gehabt hat.
Rz. 9
Geht es zudem um die Beiordnung des Anwalts, so reicht es nicht hin, dass er sich nur der Partei gegenüber erklärt, weil diese das Leistungsrisiko bei vorzeitiger Beendigung des Auftrages im Verhältnis zur Staatskasse nicht wirksam übernehmen kann. Angesichts der Einstandspflicht des Staates für die Vergütung des Anwalts ist dieser gehalten, auch im Interesse der Staatskasse mögliche Hinderungsgründe zu ermitteln und etwaige Bedenken dem über die Beiordnung entscheidenden Gericht zu offenbaren. Insoweit besteht eine besondere Informationspflicht, deren Verletzung eine eigenständige Einwendung der Staatskasse gem. § 54 zur Folge haben kann.
Rz. 10
Um die Erfüllung dieser Pflicht sicherzustellen, hat das Gericht dem Anwalt vor seiner Beiordnung oder Bestellung die Möglichkeit einzuräumen, etwaige Risiken für die Fortdauer des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses bis zur Erledigung der Angelegenheit ansprechen zu können. Wird der Anwalt ungefragt beigeordnet oder bestellt und so ohne seine Mitwirkung verpflichtet, muss er Bedenken umgehend nachmelden und so das Gericht in die Lage versetzen, ihn wieder zu entpflichten, noch bevor irgendwelche Gebührentatbestände anfallen. Kommt es zu gebührenauslösenden Handlungen, ohne dass dem Anwalt angelastet werden kann, die Mitteilung von Bedenken unterlassen zu haben, liegt ein Pflichtverstoß nicht vor. Pflichtwidriges Unterlassen einer gebotenen Handlung enthält den Vorwurf, nicht unverzüglich tätig geworden zu sein. Unverzügliches Handeln vermag auch dann kein Fehlverhalten zu begründen, wenn es objektiv zu spät ist, um Nachteile für den Gläubiger noch abwenden zu können.
Rz. 11
Die Missachtung der Hinweispflicht ist für den Anwaltswechsel kausal, wenn sich eben dasjenige Risiko, auf welches der Anwalt hinweisen musste, letztlich auch realisiert hat. Die Kausalität fehlt indes, falls sich ein anderes Risiko, das sich bei der Übernahme des Mandats oder im Zeitpunkt der Beiordnung noch nicht abgezeichnet hat, verwirklicht haben sollte. Soweit ein Sachzusammenhang besteht zwischen der objektiv begründet gewesenen Befürchtung einer vorzeitigen Auflösung des Auftrages und dem tatsächlich eingetretenen Auftragshindernis, wird (widerlegbar) vermutet, dass die Partei von der Auftragserteilung und das Gericht von der Beiordnung abgesehen hätten, falls auf die Bedenken hingewiesen worden wäre.
Rz. 12
Der beigeordnete Anwalt führt einen Vertrauensverlust herbei, wenn er gegen seinen Auftraggeber außergerichtliche Gebühren sowie nicht von der Beiordnung umfasste Reisekosten vorschussweise einklagte. Dieser Vertrauensverlust veranlasst einen Wechsel in der Beiordnung.