Rz. 198

Übt der beigeordnete Anwalt zuerst sein Beitreibungsrecht aus, ohne zuvor eine Zahlung aus der Staatskasse beantragt und erhalten zu haben, so wird vom Rechtspfleger aus Gründen der Arbeitserleichterung gelegentlich angefragt, ob er im Umfang der Festsetzung nach § 126 ZPO auf seinen Anspruch gegen die Staatskasse verzichtet. Das erscheint dort sachgerecht, wo die Leistungsfähigkeit des Kostenschuldners nicht zweifelhaft sein kann, ist aber stets mit Risiken verbunden, wenn Anzeichen für Liquiditätsprobleme erkennbar sind. Dann sollte eine Verzichtserklärung besonders vorsichtig gehandhabt und überlegt werden, ob nicht besser eine Festsetzung gegen die Staatskasse betrieben und insoweit das Risiko auf diese verlagert wird.

 

Rz. 199

Macht der beigeordnete Anwalt seinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse erst geltend, nachdem die vom Gegner an ihn zu zahlenden Anwaltskosten bereits festgesetzt worden sind,[386] so fordert der Rechtspfleger den Festsetzungsbeschluss zurück, um darauf eine Verringerung des Betrages infolge Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung zu vermerken (Teil A Nr. 2.3.2 VwV Vergütungsfestsetzung).

 

Beispiel: Der Gegner hat die Prozesskosten zu tragen, die Regelvergütung des beigeordneten Anwalts beläuft sich auf 900 EUR und ist in dieser Höhe nach § 126 ZPO festgesetzt worden. Eine Vollstreckung ist fruchtlos verlaufen oder würde voraussichtlich erfolglos bleiben. Die Grundvergütung nach § 49 beträgt 700 EUR und wird auf Antrag des Anwalts an diesen ausbezahlt.

Bei ratenfreier Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe vermerkt der Rechtspfleger auf dem Beschluss nach § 126 ZPO, dass der Anspruch des beigeordneten Anwalts gegen den Gegner nur noch 200 EUR beträgt und in Höhe von 700 EUR auf die Staatskasse übergegangen ist. Bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe mit Ratenzahlungsanordnung entfällt der Zusatz des Anspruchsübergangs auf die Staatskasse, soweit die Grundvergütung durch die Raten gedeckt ist, und kommt eine Festsetzung gegen die Staatskasse in voller Höhe in Betracht, falls die Raten der Partei das hergeben (§ 50). Wird der Anwalt auf diese Weise befriedigt, darf er das Beitreibungsrecht nur noch für die Partei ausüben.

 

Rz. 200

Soweit der beigeordnete Anwalt eine Vergütung aus der Staatskasse erlangen kann, ist er gegen das Erfüllungsrisiko im Falle eines nicht leistungswilligen oder/und zahlungsunfähigen Kostenschuldners abgesichert. Reichen die Zahlungen der Staatskasse nicht hin, den vollen Vergütungsanspruch abzudecken, bleibt ihm hinsichtlich des Restbetrages ein vorrangiges Zugriffsrecht auf den Kostenschuldner (im Einzelnen dazu siehe § 59 Rdn 26 ff.). Das Erfüllungsinteresse der Staatskasse hinsichtlich des auf sie übergegangenen Anspruchs gegen den Kostenschuldner steht dahinter zurück (zum Übergang des Beitreibungsrechts auf die Staatskasse siehe § 59 Rdn 16 ff.), falls es nicht durch Ratenzahlungen der Partei gesichert ist. Im Umfang solcher Zahlungen findet sich das Erfüllungsrisiko – wie im Normalfall ohne Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe – letztendlich bei der Partei wieder.

[386] Diese Fallgestaltung ergibt sich regelmäßig dann, wenn entgegen einer ersten Einschätzung der in die Prozesskosten verurteilte Gegner doch nicht zahlt und der "Rückgriff" auf die Staatskasse nicht durch Verzicht ausgeschlossen ist.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?