Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 142
Bei einem Pflichtverteidigerwechsel muss der Urkundsbeamte stets gem. § 54 prüfen, ob aufgrund schuldhaften Verhaltens des zunächst bestellten Pflichtverteidigers dessen Vergütungsanspruch kraft Gesetzes entfallen ist. Liegen die Voraussetzungen des § 54 nicht vor, gilt Folgendes:
Die Einschränkung bei der Bestellung, dass sich bei einem Wechsel des Pflichtverteidigers der neu bestellte Pflichtverteidiger die an den früheren Verteidiger gezahlte Vergütung anrechnen lassen muss bzw. nur die Vergütung fordern kann, die nicht schon in der Person des zunächst bestellten Verteidigers angefallen ist, ist grundsätzlich unzulässig und in der Festsetzung unbeachtlich, weil diese Einschränkung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Die Einschränkung ist aber dann zu beachten, wenn der neu bestellte Pflichtverteidiger sein Einverständnis mit dieser Einschränkung erklärt hat. Der Urkundsbeamte muss somit im Festsetzungsverfahren ermitteln, ob sich der Anwalt mit der eingeschränkten Bestellung einverstanden erklärt hat. Allerdings besteht die Gefahr, dass dem Urkundsbeamten die Wirkungslosigkeit der Beschränkung und der Ausnahmen hiervon (Einverständnis, vgl. Rdn 136 ff.) nicht bekannt sind. Deshalb wird zutreffend ein Beschwerderecht des Pflichtverteidigers gegen seine eingeschränkte Bestellung bejaht.
Rz. 143
Das Einverständnis kann auch im Verzicht auf die Vergütung liegen, die bereits für den zunächst bestellten Pflichtverteidiger angefallen ist. Der Verzicht ist trotz der Regelung in § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO aus folgenden Gründen auch zulässig:
Dem Wunsch eines Angeklagten auf Wechsel des Pflichtverteidigers ist nicht nur bei Störung des Vertrauensverhältnisses, sondern auch dann zu entsprechen, wenn der bisherige Pflichtverteidiger mit der Aufhebung seiner Bestellung einverstanden ist und die Bestellung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht. Mehrkosten entstehen u.a. dann nicht, wenn der neue Verteidiger auf doppelt entstehende Gebühren verzichtet. Bei einem Wechsel des Pflichtverteidigers zwischen zwei Instanzen fallen Mehrkosten dabei in der Regel dadurch an, dass sowohl für den bisherigen als auch für den neu bestellten Pflichtverteidiger die Grundgebühr VV 4100 entsteht, so dass sich der Verzicht häufig auf die Grundgebühr beziehen wird. Das gilt im Übrigen auch bei einem Verteidigerwechsel während der Instanz, wobei hier auch die Verfahrensgebühr(en) betroffen sein können. Im Übrigen kann eine doppelte Belastung der Staatskasse hinsichtlich der Grundgebühr auch dadurch vermieden werden, dass der Angeklagte seinem Verteidiger einen Vorschuss in Höhe mindestens der Grundgebühr geleistet hat, der gem. § 58 Abs. 3 auf den Gebührenanspruch des Pflichtverteidigers zu verrechnen ist.
Rz. 144
Der Verzicht auf Ansprüche gegen die Staatskasse verstößt nach h.M. auch nicht gegen § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO, weil dieses Verbot ausschließlich den Fall einer mit dem Mandanten getroffenen vertraglichen Vereinbarung über die Höhe der Gebühren betrifft, die vorsieht, dass ein geringerer Betrag als im RVG vorgesehen gezahlt wird. § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO gilt nicht für gegen die Staatskasse gerichtete Vergütungsansprüche. Gegen die Zulässigkeit des Verzichts wird zwar u.a. eingewandt, dass durch diesen der Zugang zur Pflichtverteidigerbestellung gleichsam "erkauft" wird und der Verzicht gegenüber der Staatskasse möglicherweise im Interesse der Gebühren und Auslagen für einen späteren Rechtszug zu Lasten des Angeklagten in der laufenden Instanz geht. Dass ein Verzicht des Pflichtverteidigers auf seine Vergütung aus der Staatskasse zulässig ist, ergibt sich aber bereits daraus, dass gem. § 55 Abs. 1 die Festsetzung gegen die Staatskasse nur auf Antrag erfolgt. Wird der Antrag nicht gestellt, liegt im Ergebnis ein Verzicht auf den Vergütungsanspruch vor.
Rz. 145
Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Verzichts auf Pflichtverteidigergebühren hat im Übrigen auch das BVerfG bejaht. Steht dem Pflichtverteidiger ein Anspruch auf Zahlung von Wahlverteidigergebühren gegen seinen Mandanten zu (§ 52), weil dieser z.B. aufgrund Freispruchs notwendige Auslagen aus der Staatskasse fordern kann, kann sich die Staatskasse vor einer Doppelbelastung mit Verteidigerkosten dadurch schützen, dass sie den Rechtsanwalt vor Festsetzung der Wahlverteidigergebühren für den Mandanten oder nach Abtretung für sich selbst (vgl. §§ 464a Abs. 2 Nr. 2, 464b StPO) zum Verzicht auf seine Pflichtverteidigergebühren auffordert.