Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
I. Anspruchsverfolgung
Rz. 206
Ist die Staatskasse für die Regelvergütung nicht voll einstandspflichtig (Zahlung nur der Grundvergütung nach der Tabelle zu § 49 bei Werten über 4.000 EUR und hat der beigeordnete oder bestellte Anwalt anrechenbare Leistungen jedenfalls nicht in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen Grundvergütung und Regelvergütung erhalten (§ 58), stellt sich für ihn unabhängig davon, ob er schon einen Vorschuss aus der Staatskasse bekommen hat (vgl. § 47 Rdn 10), nach Beendigung des Verfahrens die Frage, was er noch verlangen kann und wie er zweckmäßigerweise vorgehen soll (zu den Vorüberlegungen in einem solchen Fall siehe § 59 Rdn 55 ff.).
II. Möglichkeiten einer vollen Vergütung bei ratenfreier PKH
Rz. 207
Bei ratenfreier Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe erfordert eine Entlohnung des beigeordneten Anwalts über die Grundvergütung nach § 49 hinaus eine prozessuale Kostenverteilung, wonach der Gegner die Verfahrenskosten ganz oder teilweise zu tragen hat (u.U. muss der beigeordnete Anwalt einen Kostentitel erst noch herbeiführen, vgl. §§ 269 Abs. 3 S. 3, 516 Abs. 3 S. 2 ZPO). Fallen dem Gegner die Kosten voll zur Last, braucht der beigeordnete Anwalt in der Regel überhaupt nicht auf eine Entlohnung durch die Staatskasse zurückzugreifen. Hat er diese noch nicht in Anspruch genommen, sollte er zunächst entscheiden, ob er eingleisig (nur gegen den Gegner) oder zweigleisig (auch gegen die Staatskasse) vorgehen will. Falls er den letzteren Weg einschlägt, der zwar etwas aufwendiger ist, aber größere Sicherheit bietet (vgl. Rdn 198), sollte er den Antrag auf Festsetzung der Grundvergütung möglichst zügig stellen, schon um den gesetzlichen Anspruchsübergang auf die Staatskasse nicht zu gefährden (vgl. § 45 Rdn 55). Darüber hinaus hat er die Wahl: Entweder geht er nach § 126 ZPO im eigenen Namen gegen den Gegner vor oder er führt (auch) hinsichtlich der Anwaltskosten für die bedürftige Partei eine Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO durch, nachdem er von dieser freiwillig in voller Höhe befriedigt worden ist oder im Vertrauen darauf, aus den Zahlungen des Gegners an die Partei befriedigt zu werden. Diese beiden Möglichkeiten stehen grundsätzlich nebeneinander. Allerdings verdienen zwei Fallgruppen besondere Beachtung:
1. Aufrechnung des Gegners
Rz. 208
Der Gegner hat womöglich fällige Forderungen gegen die Partei, mit denen er aufrechnen kann. Dann besteht das Risiko, dass die Erstattungsforderung durch Aufrechnung erlischt, sobald sie für die Partei gem. §§ 103 ff. ZPO festgesetzt worden ist. Um diese Folge jedenfalls im (geschützten) Eigeninteresse zu vermeiden, sollte der Anwalt bei unklarer Anspruchslage zwischen den Parteien grundsätzlich seinem eigenen Beitreibungsrecht den Vorzug geben und nach § 126 ZPO vorgehen. Dann verkürzt sich das Risiko auf eine stets zulässige Aufrechnung des Gegners mit Kostenerstattungsansprüchen aus dem nämlichen Verfahren (§ 126 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die sich aus § 126 Abs. 2 S. 1 ZPO ergebende sogenannte Verstrickung des Kostenerstattungsanspruchs bzw. die Beschränkung auf die sich aus § 126 Abs. 2 S. 2 ZPO ergebende Einrede gilt aber nur so lange, bis feststeht, dass der Erstattungsanspruch nicht mehr von dem beigeordneten Rechtsanwalt geltend gemacht werden kann. Beteiligt sich der beigeordnete Anwalt – etwa durch Vertretung – am Kostenfestsetzungsverfahren seiner Partei gem. §§ 103 ff. ZPO, kann hieraus zu folgern sein, dass er auf sein Vorrecht aus § 126 ZPO zumindest zeitweilig verzichtet. Nach dem Erlass des Kostenfestsetzungsbeschluss gem. §§ 103 ff. ZPO für die PKH-Partei kann der Gegner auch mit Wirkung gegenüber dem Anspruch des beigeordneten Anwalts gem. § 126 ZPO zahlen und aufrechnen, die Partei kann dem Gegner die Schuld erlassen, die festgesetzte Kostenforderung kann abgetreten und gepfändet werden. Weil hierdurch auch der Forderungsübergang auf die Staatskasse gem. § 59 ggf. vereitelt wird, wird die Auffassung vertreten, dass die Staatskasse dem Vergütungsanspruch des beigeordneten Anwalts den Arglisteinwand entgegenhält und die PKH-Vergütung wegen treuwidrigem Verhalten nicht zahlt oder gegen deren Festsetzung Rechtsmittel einlegt. Das dürfte aber jedenfalls dann nicht gelten, wenn der Rechtspfleger den beigeordneten Anwalt zur Stellung eines Kostenfestsetzungsantrages nach §§ 103 ff. ZPO aufgefordert hat. Denn für die Annahme der Arglist ist erforderlich, dass der Rechtsanwalt den Belangen der Staatskasse in Nachteilsabsicht entgegenwirkt.