Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Anspruchsumfang der Beitreibung im eigenen Namen
Rz. 192
Wurde die bedürftige Partei durch den im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Anwalt mit Erfolg vertreten und hat sie deshalb einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, so erscheint es nur konsequent, wenn dieser (auch) dem Anwalt zugutekommt. Daher gewährt § 126 Abs. 1 ZPO (für Familiensachen vgl. §§ 85, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) dem beigeordneten Anwalt hinsichtlich seiner Regelvergütung (einschl. Auslagen) ein eigenes Beitreibungsrecht gegen den unterlegenen Verfahrensbeteiligten, welches zudem mit § 126 Abs. 2 ZPO vor Einwendungen besonders geschützt wird. An diesem Verfahren ist die Partei nicht unmittelbar beteiligt. Ergeht eine Festsetzung zugunsten ihres Anwalts, kann sie den Beschluss gleichwohl anfechten, wenn sie geltend macht, ihr werde zu Unrecht die Einziehungsbefugnis hinsichtlich ihres Kostenerstattungsanspruchs gegen den Prozessgegner entzogen.
Rz. 193
Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung dieses Beitreibungsrechts ist jede zugunsten der Partei ergangene Kostengrundentscheidung, soweit sie die von dem beigeordneten Anwalt zur Festsetzung angemeldeten Gebühren und Auslagen als notwendige Kosten des Verfahrens einschließt (deshalb kann ein Anspruch des Anwalts auf Erstattung von Umsatzsteuer gegenüber dem Prozessgegner nur bestehen, wenn auch die Partei selbst erstattungsberechtigt wäre). Gegenstand der Kostenentscheidung und Umfang der Beiordnung (§ 48) müssen die Gebührentatbestände gleichermaßen umfassen.
Beispiel: Die Beiordnung erstreckt sich nur auf die erste Instanz vor dem AG. Die Partei wird auch vor dem LG durch den nämlichen Anwalt vertreten und obsiegt in beiden Instanzen.
Der Anwalt kann nur die Regelgebühren für seine erstinstanzliche Tätigkeit auf der Grundlage des für die erste Instanz ergangenen Kostentitels im eigenen Namen beitreiben.
Rz. 194
Das Beitreibungsrecht des beigeordneten Anwalts wegen der Regelvergütung erstreckt sich nicht auf den gesamten Kostenerstattungsanspruch der bedürftigen Partei nach der Kostengrundentscheidung, sondern geht nur in den Erstattungsanspruch gegen den Gegner hinsichtlich solcher erstattungsfähigen Anwaltskosten, von denen die Partei freigestellt worden ist. Dadurch unterscheidet es sich deutlich von dem Einziehungsrecht eines Gläubigers nach § 835 ZPO, das die gesamte Forderung des Schuldners gegen den Dritten (hier: der beigeordneten Partei gegen den Kostenschuldner) zum Gegenstand hat.
Rz. 195
Die Beschränkung des Beitreibungsrechts auf den Erstattungsanspruch der Partei hinsichtlich ihrer von der Kostengrundentscheidung erfassten Anwaltskosten gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO folgt zwingend aus dieser Vorschrift. Könnte nämlich der beigeordnete Anwalt auf die Erstattungsansprüche der Partei hinsichtlich anderer Kosten (z.B. Reisekosten zum Termin, Privatgutachterkosten) zugreifen, würde dadurch für die Partei ein vermögensrechtlicher Nachteil entstehen, der auf die Tätigkeit des beigeordneten Anwalts im Rahmen seiner Beiordnung zurückginge und vor dem sie durch die PKH bewahrt werden soll. Die Verwendung von sonstigen Erstattungsansprüchen zur Regulierung der Vergütung des beigeordneten Anwalts käme einer Bezahlung durch die Partei gleich, von der sie jedoch kraft Gesetzes freigestellt worden ist.
Beispiel: Es ergeht eine Kostengrundentscheidung, wonach die eigene Partei 25 % und der Gegner 75 % zu tragen haben. Erstattungsfähig für die Partei sind 800 EUR Privatgutachterkosten und 1.400 EUR Anwaltskosten; der Gegner meldet 1.200 EUR Anwaltskosten an.
Der beigeordnete Anwalt kann nur 75 % der Anwaltskosten von 1.400 EUR = 1.050 EUR beitreiben. Den Erstattungsanspruch des Gegners von 300 EUR (25 % von 1.200 EUR) muss er sich gem. § 126 Abs. 2 S. 2 ZPO entgegenhalten lassen, so dass 750 EUR verbleiben. Um den Anspruch des Gegners anrechnen zu können, bedarf es der Aufrechnung. Eine "automatische" Kostenausgleichung wie gem. § 106 ZPO findet hier nicht statt (siehe Rdn 204).
2. Konkurrenz zum Anspruch gegen die Staatskasse
a) Prüfung des Rechtspflegers
Rz. 196
Beantragt der beigeordnete Anwalt seiner Regelvergütung wegen die Festsetzung im eigenen Namen, so hat der für dieses Verfahren zuständige Rechtspfleger (§ 21 Nr. 1 RPflG) zu prüfen, ob er bereits eine Vergütung aus der Staatskasse erhalten hat und ob dieser Betrag ganz oder teilweise auf die festzusetzenden Kosten anzurechnen ist (Teil A Nr. 2.3.1 VwV Vergütungsfestsetzung). Stellt der Rechtspfleger fest, dass ein Anrechnungsfall vorliegt (siehe dazu § 59 Rdn 35 f.), so hat er zugunsten des Anwalts nur noch den restlichen Betrag bis zur vollen Regelvergütung gegen den Gegner festzusetzen. Ferner hat er in dem Beschluss den auf die Staatskasse gem. § 59 nachrangig übergegangenen Anspruch zu vermerken.
Variante 1: Im vorstehenden Beispielsfall ist ratenfreie PKH/VKH bewilligt worden und d...