1. Geltungsbereich

a) Beigeordnete/Bestellte Rechtsanwälte, Beratungshilfe

 

Rz. 9

§ 55 gilt für alle gerichtlich beigeordneten oder bestellten Rechtsanwälte (vgl. hierzu auch die Erl. zu § 1 Abs. 1) sowie den Beratungshilfeanwalt (vgl. dazu § 45). Unerheblich ist, in welcher Gerichtsbarkeit oder nach welcher Verfahrensordnung der Anwalt beigeordnet oder bestellt wurde. Auch der im Bußgeldverfahren von der Verwaltungsbehörde bestellte Rechtsanwalt ist erfasst (Abs. 7; siehe Rdn 182). Die Festsetzung gem. § 55 erfolgt daher insbesondere für den im Wege der PKH oder in Familiensachen im Wege der VKH (vgl. § 12)[14] beigeordneten Rechtsanwalt, dem gem. § 12 die nach § 11a ArbGG und § 4a InsO beigeordneten Rechtsanwälte gleichgestellt sind.[15]

 

Rz. 10

§ 55 gilt darüber hinaus z.B. auch für den Pflichtverteidiger, für den Zeugenbeistand (§ 68b StPO; vgl. auch § 59a Rdn 12 ff.), für den Beistand des Nebenklägers oder Verletzten (§§ 397a, 406h Abs. 3 StPO), für den zum Prozesspfleger gem. §§ 57, 58 ZPO bestellten Rechtsanwalt und für den gem. §§ 137, 270 FamFG und § 67a Abs. 1 S. 2 VwGO beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalt. Das Festsetzungsverfahren richtet sich auch bei der Beiordnung oder Bestellung durch die in § 59a genannten Justizbehörden nach § 55 (§ 59a Rdn 15 und 24). § 55 Abs. 1 wird ferner in § 8 PsychPbG für den gem. § 406g Abs. 3 StPO dem Verletzten beigeordneten psychosozialen Prozessbegleiter für entsprechend anwendbar erklärt und gilt auch für den gem. § 7 ThUG beigeordneten Rechtsanwalt, vgl. § 20 ThUG (§ 62 Rdn 35).

[14] Nachfolgend ist zur besseren Lesbarkeit nur von der PKH die Rede.
[15] So zur Beiordnung nach § 4a InsO vgl. AG Göttingen Rpfleger 2011, 44.

b) Pauschgebühr gem. § 51

 

Rz. 11

Auch die gem. § 51 z.B. in Straf- und Bußgeldsachen und Verfahren nach dem IRG und IStGH-Gesetz festgesetzte Pauschgebühr ist vor der Auszahlung durch den Urkundsbeamten im Verfahren gem. § 55 festzusetzen. Eine Auszahlung allein aufgrund der Bewilligung durch das OLG ist nicht möglich.[16]

[16] KG AGS 2009, 178 = NJW 2009, 456.

c) Vorschuss gem. § 47

 

Rz. 12

Das Verfahren zur Festsetzung des Vorschusses gem. § 47 richtet sich ebenfalls nach § 55.[17] Das ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut von § 55 Abs. 1 S. 1. Deshalb muss der beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt in seinem Antrag auf Festsetzung des Vorschusses insbesondere auch gem. § 55 Abs. 5 S. 2 angeben, ob und welche Zahlungen er bis zum Tag der Beantragung des Vorschusses erhalten hat.[18] Insbesondere vorschussweise geltend gemachte Auslagen sind gem. § 55 Abs. 5 S. 1, § 104 Abs. 2 ZPO ggf. darzulegen und glaubhaft zu machen. Eine anwaltliche Versicherung reicht nur für vorschussweise verlangte Entgelte für Post- und Telekommunikationsentgelte aus, § 55 Abs. 5 S. 1, § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO, nicht aber für andere Auslagen (vgl. Rdn 40 ff.).

[17] Burhoff, RVGreport 2011, 327; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 47 Rn 7.
[18] Burhoff, RVGreport 2011, 327.

2. Beteiligte und Antragsberechtigung

a) Anwalt und Staatskasse

 

Rz. 13

Beteiligte im Festsetzungsverfahren gem. § 55 sind nur der beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt und die Staatskasse,[19] zumal die Vergütungsfestsetzung für andere Personen keine Rechtskraftwirkung entfaltet.[20] Der Vertreter der Staatskasse ist im Festsetzungsverfahren ein mit eigenen Rechten ausgestatteter Beteiligter. Er kann sich auf eine eigene Rechtsstellung und dieselben prozessualen Rechte wie der Rechtsanwalt berufen.[21] Antragsberechtigt sind alle beigeordneten oder bestellten Rechtsanwälte (vgl. Rdn 9), denen deshalb ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht (§ 45).

[19] LSG NRW 30.4.2018 – L 9 AL 223/16 B; BayLSG 21.6.2016 – L 15 SF 39/14 E; LSG NRW 9.9.2015 – L 16 KR 716/14 B; ThürLSG AGS 2015, 415 = RVGreport 2015, 421; KG RVGreport 2010, 426 = JurBüro 2010, 590; LSG NRW ASR 2010, 91; VG Karlsruhe JurBüro 2015, 200; SG Berlin AGS 2011, 292; SG Berlin RVGreport 2009, 305.
[20] ThürLSG AGS 2015, 415 = RVGreport 2015, 421.

b) Keine Antragsberechtigung

 

Rz. 14

Nicht antragsberechtigt sind der Mandant des Rechtsanwalts/die Partei oder der Gegner des Mandanten. Die von dem beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalt vertretene Partei oder deren Gegner sind an dem Festsetzungsverfahren nicht beteiligt.[22] Das ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, weil die Partei gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen durch den im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt geschützt ist.[23] Hält die Partei oder deren Gegner die nach § 55 festgesetzte Vergütung für zu hoch, können sie diese im Rahmen des Gerichtskostenansatzes nach Anspruchsübergang gem. § 59 oder nach Anforderung gem. GKG-KostVerz. 9007 anfechten (vgl. z.B. gem. §§ 66 GKG, 57 FamGKG).[24]

c) Sozietät

 

Rz. 15

Nach der Rechtsprechung des BGH[25] kann bei PKH auch eine Sozietät beigeordnet werden.[26] Dann steht auch der Sozietät der Vergütungs...

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