aa) Bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe

 

Rz. 140

Bindend für die Festsetzung gem. § 55 wird bei einem Wechsel des im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach allerdings umstrittener Auffassung auch die Einschränkung angesehen, dass der neu beigeordnete Anwalt nur die Beträge aus der Staatskasse fordern darf, die nicht für den davor beigeordneten Anwalt angefallen sind.[284] Der Urkundsbeamte hat insbesondere nicht zu überprüfen, ob die vom Gericht vorgenommene Einschränkung des Vergütungsanspruchs zutreffend erfolgt ist und ob der neu beigeordnete Anwalt auf die bereits für den davor beigeordneten Anwalt angefallenen Gebühren verzichtet hat.[285] Ansonsten müsste der Urkundsbeamte die Entscheidung des Gerichts zur Beiordnung überprüfen. Dies liefe nicht nur dem Wesen des Festsetzungsverfahrens zuwider, sondern würde auch die Bestandskraft der Beiordnung in Frage stellen.[286]

[284] OLG Düsseldorf AGS 2008, 245 = JurBüro 2008, 209; a.A. OLG Celle NJW 2008, 2511; OLG Köln FamRZ 2004, 123; OLG Hamm FamRZ 1995, 748; OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 819.
[286] OLG Düsseldorf AGS 2008, 245 = JurBüro 2008, 209; a.A. OLG Köln FamRZ 2004, 123; OLG Hamm FamRZ 1995, 748; OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 819.

bb) Anfechtung erforderlich

 

Rz. 141

Auch hier gilt, dass die eingeschränkte Beiordnung selbst von der bedürftigen Partei oder dem Anwalt[287] angefochten werden muss (vgl. § 127 ZPO, siehe auch Rdn 130 und 136)[288] bzw. dass das Gericht bereits bei der Beiordnung prüfen muss, ob eine Einschränkung möglich ist.[289] Ist das nicht geschehen, besteht kein Bedürfnis mehr, die Einschränkung im Festsetzungsverfahren in Frage zu stellen.[290] Ordnet das Gericht einen neuen Rechtsanwalt aber ohne Einschränkung bei, steht diesem die volle gesetzliche Vergütung zu.[291] Allerdings muss der Urkundsbeamte bei einem Wechsel des beigeordneten Rechtsanwalts unabhängig davon stets gem. § 54 prüfen, ob aufgrund schuldhaften Verhaltens des zunächst beigeordneten Rechtsanwalts dessen Vergütungsanspruch kraft Gesetzes entfallen ist.

[287] OLG Hamm FamRZ 2006, 1551; OLG Köln MDR 2005, 1130.
[288] OLG Schleswig AGS 2009, 334 = NJW-RR 2009, 1517; OLG Braunschweig 9.6.2011 – Ws 126/11; OLG Celle 28.4.2011 – 10 WF 123/11; OLG Hamm FamRZ 2006, 1551; OLG Köln MDR 2005, 1130.
[290] OLG Düsseldorf AGS 2008, 245 = JurBüro 2008, 209.

cc) Wechsel des Pflichtverteidigers

 

Rz. 142

Bei einem Pflichtverteidigerwechsel muss der Urkundsbeamte stets gem. § 54 prüfen, ob aufgrund schuldhaften Verhaltens des zunächst bestellten Pflichtverteidigers dessen Vergütungsanspruch kraft Gesetzes entfallen ist.[292] Liegen die Voraussetzungen des § 54 nicht vor, gilt Folgendes:

Die Einschränkung bei der Bestellung, dass sich bei einem Wechsel des Pflichtverteidigers der neu bestellte Pflichtverteidiger die an den früheren Verteidiger gezahlte Vergütung anrechnen lassen muss bzw. nur die Vergütung fordern kann, die nicht schon in der Person des zunächst bestellten Verteidigers angefallen ist, ist grundsätzlich unzulässig und in der Festsetzung unbeachtlich, weil diese Einschränkung gesetzlich nicht vorgesehen ist.[293] Die Einschränkung ist aber dann zu beachten, wenn der neu bestellte Pflichtverteidiger sein Einverständnis mit dieser Einschränkung erklärt hat.[294] Der Urkundsbeamte muss somit im Festsetzungsverfahren ermitteln, ob sich der Anwalt mit der eingeschränkten Bestellung einverstanden erklärt hat. Allerdings besteht die Gefahr, dass dem Urkundsbeamten die Wirkungslosigkeit der Beschränkung und der Ausnahmen hiervon (Einverständnis, vgl. Rdn 136 ff.) nicht bekannt sind. Deshalb wird zutreffend ein Beschwerderecht des Pflichtverteidigers gegen seine eingeschränkte Bestellung bejaht.[295]

 

Rz. 143

Das Einverständnis kann auch im Verzicht auf die Vergütung liegen, die bereits für den zunächst bestellten Pflichtverteidiger angefallen ist. Der Verzicht ist trotz der Regelung in § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO aus folgenden Gründen auch zulässig:

Dem Wunsch eines Angeklagten auf Wechsel des Pflichtverteidigers ist nicht nur bei Störung des Vertrauensverhältnisses, sondern auch dann zu entsprechen, wenn der bisherige Pflichtverteidiger mit der Aufhebung seiner Bestellung einverstanden ist und die Bestellung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht.[296] Mehrkosten entstehen u.a. dann nicht, wenn der neue Verteidiger auf doppelt entstehende Gebühren verzichtet.[297] Bei einem Wechsel des Pflichtverteidigers zwischen zwei Instanzen fallen Mehrkosten dabei in der Regel dadurch an, dass sowohl für den bisherigen als auch für den neu bestellten Pflichtverteidiger die Grundgebühr VV 4100 entsteht, so dass sich der Verzicht häufig auf die Grundgebühr beziehen wird.[298] Das gilt im Übrigen auch bei einem Verteidigerwechsel während der Instanz,[299] wobei hier auch die Verfahrensgebühr(en) betroffen sein können.[300] Im Übrigen kann e...

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