Norbert Schneider, Peter Fölsch
a) Unterschied zwischen Vorschüssen und Zahlungen
Rz. 14
"Vorschüsse" und "Zahlungen" sind jeweils zweckgerichtete Vermögenszuwendungen, die zur Regulierung einer Schuld dienen. Sie unterscheiden sich nur dadurch, dass es bei den Vorschüssen um Vorauszahlungen auf eine noch nicht in Rechnung gestellte – womöglich erst künftige – Schuld (§ 9) geht, während mit Zahlungen die Leistungen zur Erfüllung der bereits erhobenen Forderung (§ 8) gemeint sind. Diese Differenzierung ist jedoch wenig sinnvoll, zumal der Begriff der Zahlung regelmäßig untechnisch zur Beschreibung eines Realaktes verwandt wird. Gezielt angesprochen werden sollen indes Leistungen, nämlich solche auf den Vergütungsanspruch des Anwalts. Das genügt aber nicht, um den Regelungsbedarf zu erschöpfen.
b) Sonderproblem Gebührenanrechnung
aa) Anwendung von § 15a
Rz. 15
Völlig außer Betracht gelassen hatte der Gesetzgeber das Problem der Anrechnung von Gebühren (vgl. § 15a). In der Rechtsprechung war es deshalb umstritten, ob bspw. der Anfall einer vorgerichtlichen Geschäftsgebühr wegen der in VV Vorb. 3 Abs. 4 normierten Anrechnung stets zu einer Reduzierung der aus der Staatskasse zu zahlenden Verfahrensgebühr führt. Um insoweit eine einheitliche Handhabung zu gewährleisten, ist durch das KostRÄG 2021 zum 1.1.2021 Abs. 2 S. 2 eine Klarstellung in Abs. 2 S. 2 eingefügt worden.
Rz. 16
§ 15a Abs. 1 definiert die Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber. Sie gilt aber auch im Verhältnis zur Staatskasse. Beide aufeinander anzurechnende Gebühren bleiben grundsätzlich unangetastet erhalten. Der Rechtsanwalt kann also beide von der Gebührenanrechnung betroffenen Gebühren jeweils in voller Höhe geltend machen. Ihm ist es lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren zu verlangen. § 15a Abs. 1 schließt somit die Anwendung der Rechtsprechung des BGH aus, wonach infolge der Anrechnung der Geschäftsgebühr die Verfahrensgebühr von Anfang an in gekürzter Höhe entstehen würde. § 15a Abs. 1 stellt die Anrechnungsreihenfolge grundsätzlich frei (Wahlrecht des Anwalts). Die Anrechnungsreihenfolge z.B. nach VV Vorb. 3 Abs. 4 bleibt allein für die Ermittlung der Höhe des Anrechnungsbetrages relevant.
bb) Berechnungsweise
Rz. 17
Zu berechnen ist folgendermaßen:
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Zunächst sind die einzelnen von der Anrechnung erfassten Gebühren zu ermitteln. |
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Sodann ist der Anrechnungsbetrag zu berechnen, und zwar in der Anrechnungsreihenfolge, die die spezielle Anrechnungsvorschrift vorgibt (z.B.: VV Vorb. 3 Abs. 4: anzurechnen ist die halbe Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr). |
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Anschließend ist der Gesamtbetrag der Gebühren zu ermitteln, die von der Gebührenanrechnung erfasst sind. |
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Von diesem Gesamtbetrag ist der Anrechnungsbetrag abzuziehen. |
cc) Tatsächlich erhaltene Zahlung
Rz. 18
Die Staatskasse kann sich indes auf eine Anrechnung unter anderem nur dann berufen, wenn der Anwalt eine den Anrechnungsbetrag erfassende tatsächliche Zahlung erhalten hat (vgl. § 55 Rdn 67 f.).
Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese tatsächliche Zahlung von dem Auftraggeber, einem Kostenerstattungsschuldner (§ 55 Rdn 59 ff.) oder der Staatskasse herrührt. Zweifelhaft ist allerdings, ob sich diese Voraussetzung bereits aus § 15a Abs. 2 ergibt. Denn dass die Staatskasse Dritte i.S.v. § 15a Abs. 2 ist, kann deshalb fraglich sein, weil die Staatskasse Vergütungsschuldner und nicht Kostenerstattungsschuldner ist (Ausführungen insofern siehe auch VV 2503 Rdn 31 ff., § 55 Rdn 49). Ist die Staatskasse gleichwohl als Dritte anzusehen, kann sie sich gemäß § 15a Abs. 2 auf eine Anrechnung unter anderem nur berufen, wenn der Anwalt eine den Anrechnungsbetrag erfassende tatsächliche Zahlung erhalten hat.