Rz. 81

Mit dem 2. KostRMoG nachträglich eingeführt worden war in Abs. 3 S. 4 eine weitere Anrechnungsgrenze, nämlich die "Höchstgebühr eines Wahlanwalts".

 

Rz. 82

Anlass der Ergänzung war die Frage, ob Abs. 3 auch verhindern soll, dass der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt mehr erhält, als er erhalten würde, wenn er als Wahlverteidiger tätig geworden wäre.

 

Rz. 83

Nach einer Auffassung[76] war in Kauf zu nehmen, dass der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt in bestimmten Fällen mehr erhalten konnte als die höchstmögliche Wahlanwaltsvergütung.

 

Rz. 84

Nach anderer Auffassung war bei der Festsetzung der Vergütung des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Anwalts dagegen zu berücksichtigen, dass dieser neben den vollen Pflichtanwaltsgebühren zusammen mit den bereits erhaltenen Zahlungen und Vorschüssen nicht mehr erhalten sollte, als ihm als Wahlanwaltsvergütung zustehen würde.[77] Dafür wurde insbesondere die Regelung des § 52 Abs. 1 S. 2 RVG herangezogen, wonach die aus der Staatskasse gezahlten Pflichtanwaltsgebühren auf den Anspruch gegen den Beschuldigten auf Zahlung der Wahlverteidigergebühren anzurechnen sind. Hierdurch soll nämlich erreicht werden, dass der Rechtsanwalt nicht mehr als die Wahlvergütung erhält. Dann konnte aber im Rahmen des § 58 Abs. 3 RVG auch nichts anderes gelten.

 

Rz. 85

In dem nachträglich eingeführten Abs. 3 S. 4 ist deshalb gesetzlich klargestellt worden, dass unabhängig von der Regelung des Abs. 3 S. 3 auch unterhalb des Doppelten der Pflichtverteidigergebühren anzurechnen und zurückzuzahlen ist, wenn der Anwalt seine Vergütung in Höhe der höchstmöglichen Wahlanwaltsvergütung erhalten hat.

 

Rz. 86

Strittig war nun aber, wie die dortige Begrenzung zu verstehen sein sollte.

Zum Teil wurde die Begrenzung auf die "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" dahin verstanden, dass der im Vergütungsverzeichnis vorgesehene obere Gebührenbetrag maßgebend sei.[78]
Nach anderer Auffassung sollten mit den "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" die im Einzelfall konkret entstandene nach § 14 Abs. 1 angemessene Gebühr des Wahlverteidigers verstanden werden.[79]
Nach einer weiter vertretenen Auffassung sollten unter den "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" auch die nach § 42 festgestellte Pauschgebühr zu verstehen sein, weil diese nach § 42 Abs. 1 S. 3 an die Stelle der jeweiligen Gebühr(en) trete.[80]
 

Rz. 87

Der Gesetzgeber hat nunmehr klargestellt, dass mit den bisherigen "Höchstgebühren eines Wahlanwalts" die "im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen Höchstgebühren" maßgebend sind, also jeweils der obere Betrag des jeweiligen Betragsrahmen. Dies war auch bisher schon so gewollt, denn eine im Einzelfall angemessene Höchstgebühr gibt es nicht. Angemessen sein kann immer nur eine konkrete im Einzelfall festgestellte Gebühr.

 

Rz. 88

Die jetzt vorgenommene Klarstellung dient auch praktischen Erwägungen. Das Festsetzungsverfahren würde erheblich verkompliziert und wäre sehr streitanfällig, wenn man auf die im Einzelfall konkrete angemessene Gebühr abstellen würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gericht die für die Ermittlung der konkreten angemessenen Gebühr maßgeblichen Bestimmungskriterien des § 14 Abs. 1 häufig nicht bekannt sind und durch Mitwirkung der Rechtsanwälte erst aufwändig ermittelt werden müssten. Darüber hinaus wäre dann auch noch das Bestimmungsrecht des Anwalts zu berücksichtigen sowie die ihm nach der Rechtsprechung zustehende Toleranzgrenze. Darüber hinaus wäre auch noch zu prüfen, ob nicht die Voraussetzungen des § 42 für die Bewilligung einer Pauschgebühr vorliegen würden. Mit der jetzt vorgenommenen Klarstellung wird dem Kostenbeamten eine einfache Berechnungsmethode an die Hand gegeben. Die im Vergütungsverzeichnis vorgesehene Höchstgebühr kann er ganz einfach aus dem Vergütungsverzeichnis entnehmen, nämlich aus dem oberen Gebührenbetrag, der für die jeweilige Gebühr – ohne die Berücksichtigung einer Pauschgebühr nach § 42 – vorgesehen ist.

 

Rz. 89

 

Beispiel: Anrechnung auch bei Erreichen der Wahlanwaltsvergütung

Der Verteidiger nimmt an der Hauptverhandlung vor dem AG teil. Es findet nur ein Termin statt, der jedoch sechs Stunden dauert. Der Verteidiger hat einen Vorschuss in Höhe von 400 EUR netto erhalten.

Aus der Landeskasse würde der Pflichtverteidiger jetzt erhalten:

 
1. Verfahrensgebühr, VV 4106 145,00 EUR
2. Terminsgebühr, VV 4108 242,00 EUR
3. Zuschlag, VV 4110 121,00 EUR
Gesamt 508,00 EUR
Das Doppelte (§ Abs. 3 S. 3) beträgt 1.016,00 EUR

Die Höchstgebühren des Wahlanwalts betragen:

 
1. Verfahrensgebühr, VV 4106 319,00 EUR
2. Terminsgebühr, VV 4108 528,00 EUR
Gesamt 847,00 EUR

Nach Abs. 3 S. 3 würde die Summe von Vorschuss (400 EUR) und Vergütung aus der Landeskasse (508 EUR) mit 908 EUR insgesamt das Doppelte der Pflichtverteidigervergütung (1.016 EUR) nicht überschreiten, so dass nichts anzurechnen wäre.

Da aber die Höchstgebühren des Wahlanwalts überschritten sind, ergibt sich eine Pflicht zur Anrechnung aus Abs. 3 S. 4 RVG in Höhe von:

 
Vorschuss 400,00 EUR
...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?