Norbert Schneider, Peter Fölsch
1. Berechnungsgrundlage "Vergütungen"
Rz. 44
Ausgangsbetrag für die Abrechnung gegenüber der Staatskasse bei anrechenbaren Leistungen ist die Summe der "Vergütungen" des Anwalts aus dem erteilten Auftrag (Mandat). Diese braucht sich nicht in den gesetzlichen Gebühren zu erschöpfen, sondern kann auch eine weitergehende Vergütungsvereinbarung (§ 4) zum Gegenstand haben. Das Gesetz macht insoweit keine Einschränkung. Sie gleichwohl vorzunehmen, stellt eine Belastung des Anwalts dar, für die eine tragfähige Begründung nicht ersichtlich ist. Entgegen der Auffassung, durch eine die gesetzlichen Gebühren übersteigende Vergütungsvereinbarung werde die Zahlungspflicht der Staatskasse erweitert, ist die Rechtsfolge der Vorschrift auf eine Ersparnis für die Staatskasse gerichtet und nicht auf eine Haftungsverschärfung. Bei jeder Anwendung kann es immer nur darum gehen, ob und inwieweit die Staatskasse entlastet wird; hingegen wird ihre Zahlungspflicht dem Grund und der Höhe nach unabhängig von einer Anrechnungsvereinbarung des Anwalts mit der Partei oder einem Dritten allein nach dem Gesetz geregelt.
Beispiel: Die mittellose Partei will versuchen, eine zweifelhafte Forderung gerichtlich durchzusetzen. Um von dem Altsozius eines Anwaltbüros, den sie für besonders kompetent hält, persönlich beraten zu werden, bietet sie ein Zusatzhonorar von 500 EUR und zahlt diesen Betrag auch sogleich. Sie erhält Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung unter Beiordnung des Altsozius, verliert aber den Prozess gleichwohl.
Der Anwalt kann seine Vergütung von der Staatskasse einfordern, ohne eine Anrechnung der Zahlung von 500 EUR hinnehmen zu müssen. Sein Vergütungsanspruch der Partei gegenüber ist in Höhe der gesetzlichen Gebühren zuzüglich 500 EUR entstanden. Von dieser Summe ist der gezahlte Betrag abzuziehen, so dass weiterhin die gesetzlichen Gebühren offen sind.
2. Besondere Anrechnungsfälle
Rz. 45
Erhält der Anwalt Leistungen, die den "Vergütungen" für seine Tätigkeit als beigeordneter oder bestellter Anwalt mangels erkennbarer Zweckbestimmung nicht direkt zugeordnet werden können, weil noch andere Ansprüche offen sind, gilt auch insoweit der Grundsatz einer möglichst gläubigerfreundlichen Anrechnung. Ist der Anwalt in mehreren Angelegenheiten beigeordnet oder bestellt und ergibt sich insgesamt ein Überschuss über alle Unterschiedsbeträge zwischen den Grund- und Regelvergütungen, für die keine Einstandspflicht der Staatskasse besteht, ist dieser Überschuss im Verhältnis der einzelnen Forderungen gegenüber der Staatskasse zueinander aufzuteilen.
Beispiel: Der Partei wird eine Betrugsserie vorgeworfen. In getrennten Prozessen wird sie von A und B auf Schadensersatz verklagt. Sie erhält jeweils nur teilweise Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung. Dem beigeordneten Anwalt ist ein anrechenbarer "Abschlag" gezahlt worden, der die Summe der Restbeträge seiner beiden Vergütungsansprüche um 400 EUR übersteigt. Im Rahmen der Beiordnungen ist die Staatskasse voll einstandspflichtig. Ihre Zahlungspflicht beläuft sich in dem Prozess A auf 1.200 EUR und in dem Prozess B auf 800 EUR.
Der Überschuss von 400 EUR ist verhältnismäßig so aufzuteilen, dass zugunsten der Staatskasse auf deren Schuld im Prozess A 240 EUR (60 %) und im Prozess B 160 EUR (40 %) anzurechnen sind.