Norbert Schneider, Peter Fölsch
1. Anrechnung auf die Pflichtverteidigergebühren (Abs. 3 S. 1)
a) Zahlungen und Vorschüsse
Rz. 46
Nach Abs. 3 S. 1 sind Zahlungen und Vorschüsse anzurechnen. Unter Zahlungen sind Leistungen auf fällige Vergütungsansprüche (§ 8), etwa aus einem Wahlverteidigervertrag, zu verstehen. Vorschüsse wiederum sind Leistungen vor Fälligkeit auf bereits entstandene oder noch entstehende Gebühren (§ 9).
Rz. 47
Über Vorschüsse und Zahlungen hinaus sind auch solche vereinnahmten Beträge anzugeben, die im Wege der Anrechnung Einfluss auf die Höhe der Vergütung haben.
Beispiel: In einer Strafsache hat sich der Angeklagte zunächst umfassend beraten lassen. Der Anwalt hat hierfür eine Ratsgebühr nach § 34 Abs. 1 i.H.v. 190 EUR berechnet. Später wird ihm die Verteidigung übertragen.
Obwohl er die 190 EUR weder als Vorschuss noch als Zahlung auf sein Verteidigerhonorar erhalten hat, ist die vereinnahmte Ratsgebühr anzugeben, da sie nach § 34 Abs. 2 auf die Verteidigervergütung anzurechnen ist und somit auf die Höhe der dortigen Vergütung Einfluss hat.
Rz. 48
Ebenso ist eine im Rahmen der Beratungshilfe aus der Landeskasse erhaltene Ratsgebühr aus VV 2501 anzurechnen (Anm. Abs. 2 zu VV 2501).
b) Zahlender
Rz. 49
Die nach Abs. 3 S. 1 anzurechnenden Zahlungen oder Vorschüsse können von dem Beschuldigten oder einem Dritten geleistet worden sein. Damit werden sämtliche Zahlungen, mit Ausnahme der Zahlungen der Staatskasse, erfasst. Zahlungen und Vorschüsse aus der Staatskasse (§ 47) sind bei der Festsetzung nach § 55 anzurechnen. Dritter i.S.d. Abs. 3 S. 1 kann jeder Beliebige sein, der nicht mit dem vertretenen Beschuldigten identisch ist. Anzurechnen sind insbesondere also auch Zahlungen des Ehepartners oder Zahlungen eines erstattungspflichtigen Dritten.
Beispiel: Die Berufung des Nebenklägers wird kostenpflichtig verworfen. Zahlt nunmehr der unterlegene Nebenkläger an den Verteidiger, so sind diese Zahlungen nach Abs. 3 S. 1 anzurechnen.
Rz. 50
Auch Vorschüsse und Zahlungen von Rechtsschutzversicherern sind anzurechnen.
Rz. 51
In diesem Zusammenhang wird auch häufig die Frage diskutiert, ob ein Mitbeschuldigter oder ein mitvertretener Nebenkläger Dritter i.S.d. Abs. 3 S. 1 ist. Das hinter dieser Frage stehende Problem wird dabei an der falschen Stelle diskutiert. Auch der Mitbeschuldigte oder mitvertretene Nebenkläger ist Dritter. Eine völlig andere Frage ist aber, ob und inwieweit die Zahlungen des Mitbeschuldigten oder mitvertretenen Nebenklägers anzurechnen sind (siehe dazu Rdn 62).
c) Grund der Zahlung oder des Vorschusses
Rz. 52
Auf welchem Grund die Zahlung oder der Vorschuss beruht, ist für die Anrechnung unerheblich. In der Regel wird es sich um Zahlungen oder Vorschüsse des Beschuldigten aus einem Wahlverteidigervertrag handeln, wobei der Verteidiger jedoch sein Mandat niedergelegt haben muss, bevor er zum Pflichtverteidiger bestellt werden kann (§ 141 Abs. 1 und 2 StPO); solange der Beschuldigte einen Wahlverteidiger hat, liegen die Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 StPO für eine Pflichtverteidigerbestellung nicht vor. Anzurechnen sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Abs. 3 S. 1 aber auch Zahlungen, die aufgrund einer Vergütungsvereinbarung gewährt worden sind. Auch Zahlungen eines Rechtsschutzversicherers gehören hierzu, da dieser mittelbar auf die Vergütungspflicht des Beschuldigten zahlt (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB).
d) Dieselbe Angelegenheit
Rz. 53
Voraussetzung für eine Anrechnung ist, dass die Zahlung oder der Vorschuss in derselben Angelegenheit erfolgt ist. Eine Anrechnungspflicht zwischen verschiedenen Angelegenheiten besteht nicht. Insbesondere können nicht Vorschüsse oder Zahlungen aus anderen Instanzen angerechnet werden. Das ist jetzt klar im Gesetz verankert (Abs. 3 S. 1), wonach Zahlungen und Vorschüsse nur auf die Vergütung derjenigen Angelegenheit angerechnet werden dürfen, für die die Zahlung oder der Vorschuss geleistet worden ist. War der Anwalt in erster Instanz als Wahlverteidiger tätig und ist er erst im Berufungsverfahren als Pflichtverteidiger bestellt worden, so sind also die auf die erstinstanzliche Vergütung geleisteten Zahlungen und Vorschüsse nicht auf die Pflichtverteidigergebühren des Berufungsverfahrens anzurechnen.
Rz. 54
Nach dem früheren Wortlaut des Abs. 3 S. 1 ("Verfahrensabschnitt") war strittig, ob das vorbereitende Verfahren und das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren als ein "Verfahrensabschnitt" anzusehen waren oder ob es sich um zwei "Verfahrensabschnitte" handelte. Bedeutung hatte dies, wenn auf das vorbereitende Verfahren Zahlungen oder Vorschüsse geleistet wurden. Ging man von zwei "Verfahrensabschnitten" aus, dann war nicht anzurechnen. Ging man von einem "Verfahrensabschnitt" aus, dann war anzurechnen.
Rz. 55
Zutreffenderweise war von gesonderten Angelegenh...