Rz. 49

Macht neben dem Anwalt (§ 126 ZPO) auch die Partei selbst (§§ 103 ff. ZPO) einen Erstattungsanspruch geltend (vgl. § 55 Rdn 201 ff.) – sie werden dadurch nicht zu Gesamtgläubigern gem. § 428 BGB –,[51] tritt die weitere Fragestellung hinzu, ob und inwieweit dem Anwalt gegenüber aufgerechnet (§ 126 Abs. 2 ZPO)[52] oder der Partei gegenüber die Kostenausgleichung (§ 106 ZPO) betrieben wird. Beide Möglichkeiten unterliegen der Dispositionsbefugnis des Gegners und können daher wahlweise (alternativ oder kumulativ) Anwendung finden.

 

Variante 1: Die Partei stellt i.H.v. 1.830 EUR gem. §§ 103 ff., 106 ZPO Kostenausgleichungsantrag. Darin sind die Gebühren eines Wahlanwalts (§ 13) für den beigeordneten Anwalt, der diese ebenfalls angemeldet hat, mit 960 EUR enthalten. Die restlichen 870 EUR betreffen erstattungsfähige Reise- und Gutachterkosten. Der Gegner wendet sich nur gegen das Festsetzungsgesuch des Anwalts mit der Begründung, dass er seinen Erstattungsanspruch gegen rechne.

Für den Anwalt verbleibt es bei der Ausgangsberechnung, da die Erklärung des Gegners als Ausübung der Aufrechnungsbefugnis nach § 126 Abs. 2 ZPO auszulegen ist. Die Partei kann angesichts der Verstrickung ihres weiter gehenden Erstattungsanspruchs nur eine Festsetzung ihrer Auslagen erwirken, erhält insoweit aber mit 580 EUR die volle Quote (2/3 von 870 EUR), weil eine Kostenausgleichung ausscheidet.

 

Rz. 50

Trifft der Gegner keinerlei Bestimmung, wie sein Erstattungsanspruch eingesetzt werden soll, könnte eine entsprechende Anwendung des § 366 Abs. 2 BGB interessengerecht sein. Ob eine Zuordnung nach unterschiedlicher Lästigkeit der Erstattungsforderungen einerseits der Partei und zum anderen des Anwalts bzw. der Staatskasse den Umständen nach in Betracht kommen kann, erscheint zweifelhaft. Praxisgerecht dürfte eher eine verhältnismäßige Aufteilung des Gegenanspruchs gemäß der letztgenannten Auffangregelung des § 366 Abs. 2 BGB sein.

 

Variante 2: Der Gegner meldet seine Kosten "zwecks Ausgleichung" an und lässt eine Anfrage, ob er eine bestimmte Verrechnung wünsche, unbeantwortet.

Der Anteil der beitreibungsfähigen Kosten von 960 EUR an den gesamten erstattungsfähigen Kosten der Partei von 1.830 EUR beträgt 52 %. Mithin braucht sich der Anwalt an aufrechenbaren Kosten des Gegners nur 52 % von dessen erstattungsfähigen Kosten (560 EUR) = 291,20 EUR entgegenhalten zu lassen. Die Partei muss eine Ausgleichung von 48 % dieser Kosten = 268,80 EUR hinnehmen, so dass ihr 311,20 EUR (580 EUR – 268,80 EUR) verbleiben. Die Abrechnung nach § 59 ändert sich wie folgt:

 
Gebühren des beigeordneten Anwalts als Wahlanwalt (§ 13) 960,00 EUR
Davon hat der Gegner zu tragen (2/3) 640,00 EUR
Aufrechnen kann der Gegner mit 52 % von 560 EUR (= 1/3 von 1.680) 291,20 EUR
Es verbleibt ein Beitreibungsrecht von (Differenz) 348,80 EUR
Aus der Staatskasse hat der Anwalt erhalten 720,00 EUR
Die Summe von 1.068,80 EUR
übersteigt die Gebühren eines Wahlanwalts (§ 13) von 960,00 EUR
um die Differenz von 108,80 EUR

Dieser im Verhältnis zum Anwalt nachrangig durchsetzbare Betrag ist geringer als der Forderungsübergang und kann daher von der Staatskasse voll geltend gemacht werden.

[51] OVG NRW 11.6.2014 – 18 E 109/14, RVGreport 2014, 321.
[52] Vgl. dazu z.B. BGH 14.2.2007 – XII ZB 112/06, NJW-RR 2007, 1147; OVG NRW 11.6.2014 – 18 E 109/14, RVGreport 2014, 321; OLG Braunschweig 28.4.2014 – 2 W 37/14, JurBüro 2015, 150; LG Osnabrück 10.11.2017 – 9 T 413/17, JurBüro 2018, 203 zur Aufrechnung mit Mietzahlungen.

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