I. Grundsatz

 

Rz. 22

Hinsichtlich der Kostenerstattung bei der Beauftragung mehrerer Anwälte gilt § 91 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO. Soweit der Mandant mehrere Anwälte in verschiedenen Funktionen beauftragt hat, also Prozessbevollmächtigter/Verkehrsanwalt, Prozessbevollmächtigter/Terminsvertreter o.Ä., wird auf die Kommentierung der entsprechenden Vergütungsvorschriften (VV 3400 ff.) verwiesen.

II. Mehrere Anwälte nebeneinander

 

Rz. 23

Beauftragt der Mandant mehrere Anwälte nebeneinander, so sind die gegenüber einem Anwalt entstehenden Mehrkosten grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Erstattungsfähig sind grundsätzlich nur die Kosten eines Anwalts. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen kann die Hinzuziehung eines weiteren Anwalts mit spezifischen Kenntnissen auf einem besonderen Sachgebiet erforderlich sein.[4] In Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde können unter Umständen die Kosten mehrerer Anwälte erstattungsfähig sein.[5]

 

Rz. 24

Auch in Strafsachen sind grundsätzlich nur die Kosten eines Verteidigers erstattungsfähig, auch wenn der Beschuldigte bis zu drei Verteidiger beanspruchen darf.[6] Diese Beschränkung ist verfassungskonform.[7] Eine Ausnahme von diesem Grundsatz nimmt die Rspr. an, wenn dem freigesprochenen Angeklagten ein zweiter oder dritter Pflichtverteidiger zur Sicherung des Verfahrens unter Fürsorgegesichtspunkten (als sog. Sicherungsverteidiger) beigeordnet worden war.[8] Ausnahmsweise können einem Freigesprochenen auch die notwendigen Auslagen, die er für zwei Wahlverteidiger hat, zu ersetzen sein, wenn die Verteidigung ausnahmsweise im Hinblick auf Umfang, Schwierigkeit und Komplexität des Strafverfahrens durch nur einen Wahlverteidiger schlechterdings nicht zu bewältigen war.[9]

[4] OLG Frankfurt JurBüro 1977, 947; OLG Düsseldorf Rpfleger 1975, 323 (beide im konkreten Fall allerdings verneinend).
[5] BVerfG NJW 1978, 259.
[6] Meyer-Goßner/Schmidt, § 464a Rn 13 m. umfangreichen Nachw. zur Rspr.
[7] BVerfG 30.7.2004 – 2 BvR 1436/04, NJW 2004, 3319.
[8] OLG Celle 10.9.2018 – 1 Ws 71/18, RVGreport 2019, 109 = JurBüro 2018, 593; KG 2.5.1994 – 4 Ws 1 – 2/94, Rpfleger 1994, 476; OLG Dresden 19.10.2006 – 1 Ws 206/06, StraFo 2007, 126; OLG Rostock 20.9.1996 – I Ws 39/96, JurBüro 1997, 37; OLG Düsseldorf 4.5.2005 – III-3 Ws 62/05, JurBüro 2005, 422.
[9] OLG Braunschweig 20.6.2019 – 1 Ws 292/18, AGS 2020, 204 = RVGreport 2019, 391 = StraFo 2019, 437.

III. Anwaltswechsel

1. Grundsatz

 

Rz. 25

Werden im Verlauf eines Rechtsstreits infolge eines Anwaltswechsels mehrere Anwälte tätig, so sind ihre Kosten dann erstattungsfähig, wenn der Anwaltswechsel notwendig war (§ 91 Abs. 2 S. 2 ZPO). Eine solche Notwendigkeit wird in der Rspr. in den folgenden Fällen bejaht bzw. verneint:

2. Tod oder Erkrankung des Anwalts

 

Rz. 26

Beim Tod des Anwalts ist grundsätzlich von einem notwendigen Anwaltswechsel auszugehen.[10]

 

Rz. 27

Unerheblich ist, ob der Verstorbene mit einem anderen Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft verbunden war.[11] Beim Tode lediglich eines Sozius ist ein Anwaltswechsel dagegen nicht erforderlich, da die übrigen Mitglieder der Sozietät das Mandat fortführen können. Wechselt der Mandant in diesen Fällen, etwa weil er zu den übrigen Sozien kein Vertrauen hat, rechtfertigt dies keine doppelte Kostenerstattung.[12]

 

Rz. 28

In Ausnahmefällen gelten diese Grundsätze auch bei einer längeren Erkrankung.[13]

[10] OLG München Rpfleger 1962, 5; OLG Düsseldorf NJW 1963, 660; OLG Frankfurt JurBüro 1981, 126; OLG Hamburg JurBüro 1985, 1870; OLG Hamm JurBüro 1969, 642.
[11] OLG Stuttgart Justiz 1969, 224.
[12] OLG Hamburg JurBüro 1975, 773; OLG Frankfurt JurBüro 1977, 1618.
[13] OLG München JurBüro 1970, 320 (im konkreten Fall allerdings verneinend).

3. Freiwilliges Ausscheiden aus der Anwaltschaft

 

Rz. 29

Scheidet der Anwalt aus der Anwaltschaft aus, so ist der Wechsel ebenfalls stets notwendig. Zum Teil stellt die Rspr. darauf ab, ob die Entscheidung, die Anwaltszulassung aufzugeben, aus beachtenswerten Gründen erfolgt ist,[14] was im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen sei.[15] Dies dürfte in dieser Form nicht zutreffend sein, da die persönliche Entscheidung des Anwalts nicht der erstattungsberechtigten Partei angerechnet werden kann.[16] Keine Erstattungsfähigkeit ist aber dann gegeben, wenn der Praxisübernehmer mit dem vorherigen Anwalt vereinbart hat, dass die im Zeitpunkt der Praxisaufgabe anhängigen Mandate ohne Berechnung von Mehrkosten zu Ende geführt werden sollen.[17]

 

Rz. 30

Es stellt sich in diesen Fällen allerdings die Frage, ob der freiwillig aus der Anwaltschaft ausscheidende Anwalt überhaupt einen Anspruch auf Vergütung hat oder ob der Vergütungsanspruch infolge Interessenwegfalls erloschen ist (§ 628 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB). Diese Frage ist aber grundsätzlich nicht im Kostenfestsetzungsverfahren auszutragen, sondern gegebenenfalls nachträglich im Wege der Vollstreckungsgegenklage.

 

Rz. 31

Als nicht notwendig angesehen hat der BGH[18] einen Anwaltswechsel nach Rückgabe der Zulassung des ersten Anwalts wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten.

 

Rz. 32

Als notwendig angesehen hat der BGH dagegen[19] einen Anwaltswechsel nach Rückgabe der Zulassung wegen Übernahme der Pfl...

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