Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Reihenfolge bei Erstattung im Umfang der Haftungsanteile nach Abs. 2
Rz. 104
Wird – wie hier – die Auffassung vertreten, dass die Anwaltskosten von Streitgenossen im Umfang der jeweiligen Haftungsanteile nach Abs. 2 – begrenzt durch die Höhe der Gesamtkosten – erstattungsfähig sind, so bedarf es der Festlegung einer Reihenfolge dieser Anteile, wenn erstattungsberechtigte Streitgenossen teils vorsteuerabzugsberechtigt sind und teils nicht. Die Vertreter der Ansicht, dass Streitgenossen nur wertanteilig Erstattung verlangen können, bilden für jeden Einzelnen einen entsprechenden Bruchteil von den voll oder mit einem Bruchteil erstattungsfähigen Nettogesamtkosten und schlagen darauf die Umsatzsteuer auf, soweit keine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht, im Übrigen belassen sie es bei dem Nettobetrag. Diese Ansicht verfolgt der BGH aber nicht konsequent, da er Haftpflichtprozesse gänzlich anders abrechnen will. Dann gilt für sie die nämliche Auswahlfreiheit untereinander wie für die Festlegung der Reihenfolge bei unterschiedlichen Erstattungsquoten: Die Streitgenossen können unabhängig von den Kosteninteressen des Gegners selbst entscheiden, in welcher Reihenfolge sie ihre Haftungsanteile als Erstattungsforderung anmelden wollen. Diese Wahlfreiheit erlangt besonders in Haftpflichtprozessen Bedeutung, wenn der mitverklagte Versicherte vorsteuerabzugsberechtigt ist.
Beispiel: Die gegen den vorsteuerabzugsberechtigten Halter und den Versicherer als Gesamtschuldner gerichtete Zahlungsklage i.H.v. 12.500 EUR wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Haben beide Beklagten den gemeinsamen Anwalt beauftragt, sind für diesen angefallen:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr (VV 3100 + VV 1008) |
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1.065,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr (VV 3104) |
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799,20 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale (VV 7002) |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.864,80 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer (VV 7008) |
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354,31 EUR |
Gesamtbetrag |
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2.219,11 EUR |
Erstattungsfähig gemäß Abs. 2 sind für den Versicherer 1.685 EUR (2,5 Regelgebühren + PEP) zzgl. 19 % USt, weil er im Innenverhältnis alle Kosten trägt und also auch mit der Umsatzsteuer hinsichtlich seines Haftungsanteils belastet ist. Insgesamt stehen ihm damit 2.005,15 EUR zu. Darüber hinaus besteht eine Erstattungsforderung des Halters i.H.v. 199,80 EUR (0,3-Erhöhung VV 1008), so dass der Kläger insgesamt 2.204,95 EUR aufzubringen hat. Den verbleibenden Rest von 37,96 EUR (19 % von 199,80) trägt im Wege der Vorsteuererstattung der Fiskus bei.
b) Streitgenosse mit dem höchsten Erstattungsanspruch
Rz. 105
Wird keine ausdrückliche Bestimmung getroffen, gilt auch hier die Vermutung, dass der Streitgenosse mit der höheren Erstattungsforderung an erster Stelle stehen soll. Sie greift selbst dann ein, wenn die Streitgenossen jeweils gleich hohe Nettokosten zur Erstattung anmelden können. Zwar macht es in diesen Fällen – wirtschaftlich betrachtet – letztlich keinen Unterschied, ob ein vorsteuerabzugsberechtigter Streitgenosse nur diese einfordert und die Umsatzsteuer beim Fiskus zur Erstattung anmeldet oder ob ein nicht vorsteuerabzugsberechtigter Streitgenosse seine Bruttokosten vom Gegner verlangt. Sie erhalten jeweils den gesamten Rechnungsbetrag erstattet. Gleichwohl ist auch hier davon auszugehen, dass der Nettobetrag des nicht vorsteuerabzugsberechtigten Streitgenossen vorrangig bedient werden soll. Das liegt zumindest in ihrem Abrechnungsinteresse dem gemeinsamen Anwalt gegenüber, der dann von seinem vorsteuerabzugsberechtigten Mandanten allenfalls noch eine verhältnismäßig geringe Umsatzsteuerforderung einzufordern hätte.
c) Ein Streitgenosse ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt
Rz. 106
Ist nur ein Streitgenosse nicht vorsteuerabzugsberechtigt, wie das häufig in Kfz-Haftpflichtsachen mit gewerblichen Fahrzeugen vorkommt, kann der Gegner unter keinen Umständen den vollen Umsatzsteueranteil der gemeinsamen Anwaltskosten schulden. Diese Steuer steht in einem direkten (prozentualen) Verhältnis zur abgerechneten Leistung, so dass sie maximal auf den jeweiligen Haftungsanteil erhoben werden darf, für den der Streitgenosse haftet. Sollte einer Kostenzusage wegen der (nicht vorsteuerabzugsberechtigte) Streitgenosse (Versicherer) an den gemeinsamen Anwalt mehr als seinen Haftungsanteil gezahlt haben, kann das nicht zu Lasten des kostentragungspflichtigen Gegners gehen. Dass ein (nicht vorsteuerabzugsberechtigter) Streitgenosse allein sämtliche Kosten des gemeinsamen Anwalts zur Erstattung anmelden könnte, sieht das Gesetz selbst dann nicht vor, wenn er im Innenverhältnis alle Kosten zu tragen verpflichtet ist und aufgebracht hat. Der interne Freistellungsanspruch des Versicherten gegenüber dem Haftpflichtversicherer ist eine vertragliche Leistung vergleichbar der Kostentragungspflicht eines Rechtsschutzversicherers, die keinen eigenständigen Erstattungsanspruch des Leistenden gegen den Kostenschuldner im Prozess zu begründen vermag.