Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Echte und unechte Streitgenossenschaft
Rz. 72
Die Rechte von gemeinsam vertretenen Streitgenossen gegenüber dem erstattungspflichtigen Gegner erweisen sich als zentrales Problem der Kostenerstattung. Sie sind selbst dann umstritten, wenn die Streitgenossen voll obsiegen und der Gegner ihnen sämtliche Kosten zu erstatten hat. Teilweise wird ihnen nach überlieferter Meinung kostenrechtlich sogar verwehrt, Ansprüche als echte Streitgenossen (gemeinsame Vertretung wegen desselben Streitgegenstands) gemeinsam zu verfolgen mit dem Argument, einer von ihnen hätte ja als Prozessstandschafter für alle auftreten können. Besonders unklar ist die Rechtslage bei echten Streitgenossen, die teils obsiegen und teils unterliegen. Diese spezielle Problematik gehört zum Gebührentatbestand VV 1008 und wird dort erörtert (siehe VV 1008 Rdn 139 ff.). Hier sollen die allgemeinen Grundsätze vornehmlich anhand der unechten Streitgenossenschaft (gemeinsame Vertretung wegen verschiedener Streitgegenstände) aufgezeigt werden.
b) Uneingeschränkte Kostentragungspflicht des Gegners
aa) Gegner unterliegt vollständig
Rz. 73
Hat der Gegner sämtliche Verfahrenskosten zu tragen, so können die Streitgenossen ihre Anwaltskosten voll zur Erstattung anmelden. Einer Aufteilung und Zuordnung nach Personen bedarf es in der Regel nicht (zur Ausnahme bei teils gegebener und teils fehlender Vorsteuerabzugsberechtigung siehe Rdn 105). Sie wird in der Regel auch nicht vorgenommen. Ob die Streitgenossen Teilgläubiger oder (teilweise) Gesamtgläubiger sind, ist nur von geringer praktischer Bedeutung (nach OLG Hamm sind Streitgenossen Gesamtgläubiger, wenn sie ihre vollen Haftungsanteile anmelden. Dann haftet der Gegner ihnen ebenso, wie sie selbst dem gemeinsamen Anwalt gegenüber haften, erweist sich aber als Grundsatzfrage des gesamten Erstattungsrechts. Es geht darum, ob der einzelne Streitgenosse den Gegner nur auf den (gegenständlichen oder personenbezogenen) Bruchteil der Anwaltskosten in Anspruch nehmen kann, den seine Beteiligung an der Streitgenossenschaft ausmacht, oder ob sein Anspruch prinzipiell in Höhe des Haftungsanteils nach Abs. 2 besteht.
Beispiel: G verklagt in einem Prozess A auf Zahlung von 10.000 EUR und B auf Zahlung von 15.000 EUR. A und B lassen sich gemeinsam vertreten. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
Die gemeinsamen Anwaltskosten von A und B betragen insgesamt 2.623,95 EUR (2,5 Regelgebühren à 874 EUR zzgl. Nebenkosten zzgl. USt). Bei Teilgläubigerschaft nach Kopfteilen (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB) stünden A und B jeweils 1.311,98 EUR zu. Bei Teilgläubigerschaft nach Wertteilen entfielen auf A 1.049,58 EUR (2/5-Anteil am Gesamtwert) und auf B 1.574,37 EUR (3/5-Anteil am Gesamtwert). Wäre G entsprechend den Haftungsanteilen von A und B gemäß Abs. 2 verpflichtet, hätte A einen Erstattungsanspruch von 1.850,45 EUR (2,5 Regelgebühren à 614 EUR zzgl. Nebenkosten zzgl. USt) und B einen solchen von 2.159,85 (2,5 Regelgebühren à 718 EUR zzgl. Nebenkosten zzgl. USt). Sie wären teilweise Gesamtgläubiger, weil G insgesamt nicht mehr als 2.623,95 EUR erstatten muss.
bb) Anmeldung der Kostenerstattungsansprüche durch die Streitgenossen
Rz. 74
Streitgenossen sind nicht verpflichtet, ihre Kostenerstattungsansprüche gemeinsam anzumelden. Betreibt ein Streitgenosse allein die Festsetzung (Einzelanmeldung), so kommt es darauf an, von welcher Kostenlast der Gegner ihn freizustellen hat. Der BGH vertritt unter Aufgabe einer früheren Rechtsprechung des BGH hierzu die Auffassung, dass der einzelne Streitgenosse grundsätzlich nur in Höhe eines Bruchteils, der seiner wertmäßigen Beteiligung entspricht, mit den gemeinsamen Anwaltskosten belastet ist. Wenn der Gegner diesen Betrag erstatte, bleibe der Streitgenosse im Allgemeinen "auf Dauer und vollständig von außergerichtlichen Kosten befreit". Das werde "durch den für den Regelfall gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich im Innenverhältnis der Gesamtschuldner erreicht (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB)". Ausnahmsweise – soweit der Innenausgleich an der Zahlungsunfähigkeit eines ausgleichungspflichtigen Streitgenossen scheitere – habe er einen weiter gehenden Erstattungsanspruch bis zur Höhe seines Haftungsanteils (siehe dazu auch § 48 Rdn 93 ff.).
Rz. 75
Dieser Ansicht des BGH liegt die Prämisse zugrunde, die Freistellung des Streitgenossen von Anwaltskosten über den Bruchteil seiner wertmäßigen Beteiligung hinaus erfolge durch einen gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich. Eine derartige Ausgleichungspflicht ist jedoch weder gesetzlich vorgeschrieben noch für den Regelfall anzunehmen. D...