Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 117
Kommt eine getrennte Rechtswahrnehmung von zusammenhängenden Mandaten nicht in Betracht oder hängen – wie beim Parteiwechsel – die Mandate nicht zusammen, kann sich für den Anwalt die Frage stellen, ob er in derselben Angelegenheit einen oder mehrere Kollegen – auch Sozii – einschaltet und selbst nur ein Mandat übernimmt.
Eine solche externe Trennung ist zwar ebenfalls zulässig und hinsichtlich der Kosten grundsätzlich erstattungsfähig, sollte aber insbesondere auch formal zweifelsfrei erfolgen, um dem Einwand begegnen zu können, sie sei nur äußerlich und allein aus gebührenrechtlichen Erwägungen zustande gekommen, eine selbstständige Bearbeitung durch mehrere Anwälte liege ihr nicht zugrunde. Schon der bloße Verdacht einer derartigen Konstellation, etwa infolge gleich lautender Schriftsätze, führt in vielen Fällen dazu, dass die Gerichte eine Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten im Verhältnis zu einer gemeinsamen Vertretung nicht anerkennen. Zudem muss die Trennung von Anfang an vorgenommen werden, bevor irgendeine Tätigkeit entfaltet wird, die als Wahrnehmung einer Mehrfachvertretung (falsch) verstanden werden könnte. Ansonsten stünde die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten durch Einschaltung des Kollegen schon deshalb in Frage, weil sich auch der Wechsel von einer anfänglichen Mehrfachvertretung zu einer Einzelvertretung durch einen anderen Anwalt als nicht notwendiger Anwaltswechsel i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO qualifiziert. In Kfz-Haftpflichtprozessen werden Einzelverteidigungen von Halter, Fahrzeugführer und Versicherer im Allgemeinen als dem Geschädigten kostenrechtlich unzumutbar angesehen, falls nicht ausnahmsweise eine Interessenkollision zwischen den Streitgenossen ersichtlich ist. Ein derartiger Sonderfall wird etwa angenommen, wenn Halter oder Fahrzeugführer im Wege der Widerklage ihrerseits Ansprüche verfolgen.
Rz. 118
Auch in anderen Fällen einer echten Streitgenossenschaft können sich mehrere Einzelvertretungen anstelle einer Mehrfachvertretung bei der Kostenerstattung gegenüber dem unterlegenen Gegner vor allem dann als problematisch erweisen, wenn es um Einzelvertretungen durch Anwälte geht, die in einer Sozietät verbunden sind. Dann ist schnell von Rechtsmissbrauch die Rede. Dieser setzt allerdings auch hier die Feststellung voraus, dass sachliche Gründe für die praktizierten Einzelvertretungen ausscheiden oder gänzlich hinter einem als sittenwidrig zu qualifizierenden Vergütungsstreben der Anwälte, welches die Mandanten sich zurechnen lassen müssten, zurückstehen. Insoweit ist der Gegner darlegungs- und beweisbelastet, falls nicht ohne weiteres aufgrund der Aktenlage von einem solchen Sittenverstoß ausgegangen werden kann. Dagegen spricht jedoch grundsätzlich das Argument des Kollegialprinzips, wonach eine Vertretung durch mehrere Juristen schon deshalb einen sachlichen Vorteil bietet, weil nicht nur einer sein Fachwissen in den Fall einbringt.
Zitat
"Auch wenn die erforderliche Rechtsverteidigung beider Beklagten wesentliche Gemeinsamkeiten zeigt, blieb es doch jedem Beklagten grundsätzlich überlassen, einen eigenen Anwalt des Vertrauens zu beauftragen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte oder die Beklagte ausnahmsweise gehalten gewesen wären, ihr entsprechendes Interesse dem entsprechenden Interesse des jeweils anderen unterzuordnen. Im Übrigen ist auch nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass eine zweifache Bearbeitung des Streitstoffes eine Vielfalt in der Rechtsverteidigung bringt, die – jedenfalls aus der Sicht der Beklagten – von Vorteil sein konnte. Schließlich war auch nicht auszuschließen, dass jedenfalls der Prozessverlauf zeigen oder dazu führen konnte, dass die Interessen der Beklagten nicht vollständig gleich gelagert waren und blieben. Nach allem konnte der Kläger, der zwei Beklagte verklagt hat, hier nicht etwa damit rechnen, dass die Rechtsverteidigung von einem Anwalt durchgeführt werden würde."
Rz. 119
Das Recht eines jeden Streitgenossen, einen eigenen Anwalt seines Vertrauens und seiner freien Wahl mit der Geschäftsbesorgung zu beauftragen, gilt ebenso für mehrere Sozii einer Anwaltsgemeinschaft, so dass diese sich auch jeweils selbst vertreten können, falls es um ihre persönliche Haftung geht (siehe VV 1008 Rdn 18). Allerdings fordert der BGH einen besonderen sachlichen Grund ("Interessengegensatz"), weil ansonsten der Anschein des Rechtsmissbrauchs gegeben sei.