Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
aa) Echte Streitgenossenschaft
Rz. 92
Diese Variante ist in der Praxis häufig bei Gegenstandsidentität anzutreffen, etwa bei einem gestaffelten Parteiwechsel auf der Beklagtenseite (vgl. Rdn 30). Sie betrifft die Anwaltsvergütung nach VV 1008 und wird dort erörtert (siehe VV 1008 Rdn 143 ff.).
bb) Unechte Streitgenossenschaft
Rz. 93
Soweit die Streitgenossen verschiedener Gegenstände wegen gemeinsam vertreten werden (unechte Streitgenossenschaft), kann ihre wertanteilige Beteiligung an den Gesamtkosten der anwaltlichen Vertretung erheblich differieren. Wird sie gleichwohl – mit der Rechtsprechung des BGH – dem Erstattungsanspruch des obsiegenden Streitgenossen zugrunde gelegt, so muss darauf geachtet werden, dass die Festsetzung nicht dessen Haftungsanteil nach Abs. 2 übersteigt. Denn für mehr als für diesen Anteil hat der Gegner unter keinen Umständen einzustehen. Denkbar wäre bspw., jede Anwaltsgebühr einzeln zu betrachten und jeweils die wertanteilige Beteiligung der Streitgenossen zu prüfen. Das erscheint indes wenig praktikabel.
Rz. 94
Bei unechter Streitgenossenschaft im Zivilprozess ist die Kostenregelung, dass ein Streitgenosse einen vollen Erstattungsanspruch und der andere keinen hat, eher selten. Neben dem Fall der teilweisen Klagerücknahme findet sich noch gelegentlich die Konstellation, dass ein Streitgenosse sich versäumen lässt, während die Klage gegen den anderen abgewiesen wird.
Beispiel: B (Wert: 15.000 EUR) hält eine Rechtsverteidigung für aussichtslos und lässt sich im Termin nicht vertreten. Der Anwalt beantragt nur für A (Wert: 10.000 EUR) Klageabweisung und hat damit Erfolg. G werden u.a. die außergerichtlichen Kosten des A auferlegt.
Für die Vertretung des A gebühren dem Anwalt 1.850,45 EUR (Ausgangsfall, siehe Rdn 73). Insoweit haftet A nach Abs. 2. Darauf geht das Erstattungsinteresse beider Streitgenossen, so dass B noch 783,50 EUR aufbringen müsste (2.623,95 EUR Gesamtkosten abzgl. 1.840,45 EUR Erstattungsforderung).
Rz. 95
Auch in diesen Fällen ließe sich ein wertanteiliger Erstattungsanspruch des obsiegenden Streitgenossen, wie ihn der BGH zugrunde legt, hinsichtlich der gemeinsamen Anwaltskosten sinnvoll nur darstellen, wenn die Gebühren den Streitgenossen einzeln zugeordnet würden. Dass auf diese Weise die Kostengrundentscheidungen ausgefüllt werden müssten, wird jedoch – soweit ersichtlich – bislang nicht vertreten.
Beispiel: Könnte im vorstehenden Fall A nur seinen Wertanteil an den Gesamtkosten erstattet verlangen, stünden ihm lediglich 1.049,58 EUR zu. Für die Terminsgebühr von 876,79 EUR (1,2-Gebühr zzgl. USt.) haftet er dem Anwalt allein, so dass sein interner Beitrag zur Verfahrensgebühr zzgl. Nebenkosten nur 172,79 EUR betrüge. Für den Rest von 1.179,29 EUR (1.352,08 EUR – 1,3-Verfahrensgebühr nach 25.000 EUR – abzgl. 172,79 EUR) müsste entweder B einstehen, obwohl er bei einer Einzelvertretung nur 1.134,55 EUR (1,3-Regelgebühren nach 15.000 EUR à 718 EUR zzgl. Nebenkosten zzgl. USt.) aufzubringen hätte, oder A würde trotz seines vollen Erstattungsanspruchs zusätzlich herangezogen. Die Wahl des gemeinsamen Anwalts brächte stets eine Verschlechterung, für die es keine Grundlage gäbe.