Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Spezielle Problematik
Rz. 86
Während sich die Rechtsfrage, was der einzelne Streitgenosse erstattet verlangen kann, bei einer einheitlichen Kostenquote praktisch als ergebnisneutral erweist, weil sie die Höhe der insgesamt den Streitgenossen zustehenden Erstattungsforderung nicht berührt, bestimmt sie bei einer unterschiedlichen Beteiligung der einzelnen Streitgenossen an den Verfahrenskosten den Anspruchsumfang. Deshalb wird sie in diesem Zusammenhang vielfältig diskutiert.
2. Gemeinsames Erstattungsinteresse der Streitgenossen
a) Streitgenosse mit dem höchsten Erstattungsanspruch
Rz. 87
Für den Fall eines unterschiedlichen Verfahrensausgangs ist den Streitgenossen besonders daran gelegen, dass derjenige mit dem höchsten Erstattungsanspruch einen möglichst hohen Teil der gemeinsamen Anwaltskosten anmelden kann, um so die Kostenlast zugunsten aller zu minimieren. Dieses Interesse ist nach Auffassung des BGH allerdings nicht geschützt, weil jeder Streitgenosse nur seine wertanteilige Beteiligung an den gemeinsamen Anwaltskosten in die Ausgleichung soll einstellen können. Aus dem Zusammenschluss der Streitgenossen zur Zweck- und Risikogemeinschaft folgt indes ihr Bestreben, die Regulierung der Anwaltskosten intern so zu verteilen, dass der Streitgenosse mit dem besten Ergebnis nach außen voll in Höhe seines Haftungsanteils nach Abs. 2 einstandspflichtig ist, um diese Verpflichtung als Kostenlast dem Gegner gegenüber anmelden zu können.
Beispiel: Im Ausgangsfall (siehe Rdn 73) hat die Klage gegen A (10.000 EUR) Erfolg und die Klage gegen B (15.000 EUR) wird abgewiesen. A trägt 2/5 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des G sowie seine eigenen Kosten voll. G trägt 3/5 der Gerichtskosten und seiner eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die außergerichtlichen Kosten des B voll.
Kann B seinen Haftungsanteil nach Abs. 2 als eigene Verfahrenskosten anmelden, beträgt sein Erstattungsanspruch 2.159,85 EUR. Für A blieben nur noch restliche Anwaltskosten von 464,10 EUR. Lediglich in Höhe dieses Betrages hätte sich das gemeinsame Verfahrenskostenrisiko realisiert. – Bei einer wertanteiligen Kostenverteilung könnte B nur 1.574,37 EUR (3/5 von 2.623,95 EUR Gesamtkosten) erstattet verlangen und betrüge der ungedeckte Rest 1.049,58 EUR (Beispiel siehe Rdn 73).
b) Kopf- oder wertteilige Erstattung
Rz. 88
Ist der gemeinsame Anwalt für einen allein obsiegenden Streitgenossen nur in geringem Umfang tätig gewesen, so kann allerdings das Interesse der Streitgenossen auf eine kopf- oder wertteilige Erstattung gerichtet sein. Für ein solches Begehren fehlt es jedoch an der erforderlichen Anspruchsgrundlage. Mehr als die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Anwalts für die zu seinen Gunsten erbrachten Leistungen, also mehr als seinen Haftungsanteil nach Abs. 2, kann der obsiegende Streitgenosse nicht als notwendige Kosten des Verfahrens in Ansatz bringen; § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Beispiel: Im Ausgangsfall (siehe Rdn 73) hat G die Klage gegen A (Wert: 10.000 EUR) noch vor Beginn der Verhandlung zurückgenommen und im Verhältnis zu B (Wert: 15.000 EUR) gewonnen. Ihm werden (u.a.) die Kosten des A auferlegt.
Den Streitgenossen wäre daran gelegen, dass A die gesamten Anwaltskosten kopfteilig mit 1.311,97 EUR (gemäß der Hilfsregel des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB) oder jedenfalls (gemäß der neuen BGH-Rechtsprechung) wertteilig mit 1.049,58 EUR (2/5) anmelden kann, weil sein Haftungsanteil nach Abs. 2 nur 973,66 EUR (1,3-Regelgebühren VV 3100 à 614 EUR zzgl. Nebenkosten zzgl. USt.) beträgt. Dem steht jedoch entgegen, dass ein solcher Rückgriff vom Gesetz nicht gewollt ist.
3. Einwendungen des Gegners gegen Erstattung des Haftungsanteils nach Abs. 2
a) Freiwillige Verpflichtung zur Zahlung des Haftungsanteils
Rz. 89
Einem Erstattungsverlangen auf der Grundlage des Haftungsanteils nach Abs. 2 wird im Einzelfall entgegen gehalten, dass eine Kostenbelastung des erstattungsberechtigten Streitgenossen in dieser Höhe grundsätzlich nicht notwendig sei (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Soweit er sich im Innenverhältnis dazu verpflichte, dem Anwalt mehr als seine wertanteilige Beteiligung zu zahlen, sei das freiwillig und für den Gegner unverbindlich. Dieser Argumentation liegt letztlich der Gedanke zugrunde, dass die Streitgenossen im Interesse des Gegners daran gehindert sein sollen, von einer im Außenverhältnis gesetzlich möglichen Regelung Gebrauch zu machen. Sie sollen ihre eigenen Vermögensinteressen hinter dasjenige des Gegners zurückstellen und sich auf eine vorgegebene Kostenverteilung beschränken.
Rz. 90
Das lässt sich jedoch weder mit dem Gebot zur sparsamen Prozessführung noch bereicherungsrechtlich noch mit allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben begründen. Keine Partei muss sich zugunsten des Gegners dafür einzusetzen, dass ihre anwaltliche Vertretung weniger als die gesetzlichen Gebühren und Auslagen kostet (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO). Wenn sie diese als Haftungsanteil nach Abs. 2 aufzubringen hat und zur Erstattung anmeldet, liegt darin keine "Bereicherung einer Partei auf Kosten des Gegners". Dem Gegner wird lediglich die Möglichkeit genommen, von dem Kostenvorteil einer Mehrfachvertretung zu profitieren, die er weder veranlasst hat noch in s...