1. Umsatzsteuerpflicht
Rz. 75
Der Vorschuss unterliegt der Umsatzsteuer, soweit die Tätigkeit des Anwalts umsatzsteuerpflichtig ist (im Einzelnen siehe VV 7008 Rdn 46). Soweit der Anwalt Umsatzsteuer abführen muss, kann er diese auch nach VV 7008 auf den Vorschuss berechnen.
2. Erhöhung der Umsatzsteuer zwischen Vorschuss und Fälligkeit
Rz. 76
Da es für die Bemessung des Steuersatzes auf den Tag der Leistung bzw. das Ende des Leistungszeitraums, also die Fälligkeit der Vergütung nach § 8 Abs. 1 S. 1 ankommt, müssen Vorschüsse nachversteuert werden, wenn sich nach Zahlung des Vorschusses, aber vor Fälligkeit (§ 8 Abs. 1) der Umsatzsteuersatz erhöht. Der Anwalt kann dann beim Auftraggeber noch nachliquidieren.
Beispiel: Der Anwalt hatte nach Einreichung der Klageschrift (Wert: 10.000 EUR) im November 2020 vorschussweise eine Verfahrensgebühr wie folgt abgerechnet:
I. Vorschuss
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 10.000 EUR) |
|
798,20 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
818,20 EUR |
|
3. |
16 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
130,91 EUR |
Gesamt |
|
949,11 EUR |
Ein Urteil erging nach mündlicher Verhandlung im Februar 2021.
Die Verfahrensgebühr war zwar entstanden, da der Anwalt einen Schriftsatz eingereicht hatte (VV 3101 Nr. 1); sie war jedoch noch nicht fällig, da keiner der in § 8 Abs. 1 S. 1 aufgeführten Fälligkeitstatbestände eingetreten war. Der Anwalt war allerdings berechtigt, die Verfahrensgebühr als Vorschuss (§ 9) abzurechnen. Eine Teilleistung i.S.d. UStG liegt aber insoweit nicht vor. Daher ist mit 19 % nachzuversteuern.
II. Schlussrechnung (1. Alt)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 10.000 EUR) |
|
798,20 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 10.000 EUR) |
|
736,80 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.555,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
295,45 EUR |
Gesamt |
|
1.850,45 EUR |
5. |
./. gezahlter |
|
– 949,11 EUR |
Restbetrag |
|
901,34 EUR |
(in der Vorschusszahlung enthalten sind 130,91 EUR Umsatzsteuer;
in dem Restbetrag enthalten sind 164,54 EUR Umsatzsteuer)
II. Schlussrechnung (2. Alt.)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 10.000 EUR) |
|
798,20 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 10.000 EUR) |
|
736,80 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.555,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
295,45 EUR |
Gesamt |
|
1.850,45 EUR |
5. |
./. gezahlter netto |
|
– 818,20 EUR |
6. |
./. gezahlter Umsatzsteuer |
|
– 130,91 EUR |
Restbetrag |
|
901,34 EUR |
Der Auftraggeber hat einen Anspruch darauf, dass die nachträglich höhere Umsatzsteuer ausgewiesen wird, da er diese gegebenenfalls im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen kann.
3. Reduzierung der Umsatzsteuer zwischen Vorschuss und Fälligkeit
Rz. 77
Auch der umgekehrte Fall ist möglich. In diesem Fall ist zu berücksichtigen, dass Vorschüsse, die der Anwalt berechtigterweise mit 19 % erhoben hat, jetzt im Nachhinein "rückzuvergüten sind", soweit der Steuersatz bei Fälligkeit 16 % beträgt.
Beispiel: Der Anwalt war in einem gerichtlichen Verfahren im Mai 2020 beauftragt worden und hatte aus dem Streitwert von 10.000,00 EUR folgenden Vorschuss abgerechnet und vereinnahmt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
725,40 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
745,40 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
141,63 EUR |
Gesamt |
|
887,03 EUR |
Im Dezember 2020 fand der Termin zur mündlichen Verhandlung statt. Dort wurde die geltend gemachte Forderung anerkannt, so dass ein Anerkenntnisurteil erging. Die Schlussrechnung muss jetzt wie folgt aussehen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
725,40 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
669,60 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.415,00 EUR |
|
4. |
16 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
226,40 EUR |
Gesamt |
|
1.641,40 EUR |
5. |
abzüglich gezahlter netto |
|
– 745,40 EUR |
6. |
abzüglich gezahlter Umsatzsteuer |
|
– 141,63 EUR |
Restbetrag |
|
754,37 EUR |
Hier kommt dem Mandanten also die Steuerdifferenz aus dem Vorschuss (3 % aus 745,40 EUR =) 22,36 EUR zugute. Der Anwalt wiederum kann die mit dem Vorschuss zuviel gezahlte Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend machen.