Rz. 266
Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr findet statt, soweit der Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens auch Gegenstand eines Rechtsstreits ist bzw. wird. Ob die Gegenstände identisch sind, ist in erster Linie nach dem Inhalt der gestellten Anträge zu ermitteln. Der Zeitpunkt, in dem die Identität gegeben ist, ist demgegenüber irrelevant. Der einzig entscheidende Punkt für die Frage der Anrechenbarkeit ist, dass zu irgendeinem Zeitpunkt die Identität gegeben ist.
Beispiel: Es wird ein selbstständiges Beweisverfahren zur Feststellung von Baumängeln durchgeführt. Der Antragsgegner klagt sodann auf Zahlung von Werklohn. In diesem Prozess beruft sich der Beklagte auf die fehlende Fälligkeit des Werklohns, hilfsweise rechnet er mit einer Forderung aus Mangelbeseitigung auf. Verneint in diesem Fall das Gericht bereits die Fälligkeit der Klageforderung, so ist der Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens nicht mit dem des späteren Klageverfahrens identisch, so dass eine Anrechnung nicht in Betracht kommt.
Rz. 267
Unerheblich für die Frage der Anrechnung ist es, ob das selbstständige Beweisverfahren dem eigentlichen Rechtsstreit vorgeschaltet war oder ob dieses parallel betrieben wurde, was nach § 485 Abs. 1 ZPO zulässig ist.
Die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens ist auch dann auf die Verfahrensgebühr eines parallelen oder nachfolgenden Rechtsstreits anzurechnen, wenn das das Klageverfahren beendende Urteil wegen einer zulässigen Klageänderung nicht mehr über den Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens, der zunächst Gegenstand des Rechtsstreits war, entscheidet, sondern über einen anderen Gegenstand. Geht also ein Kläger, der sich auf einen Werkvertrag stützt, nach durchgeführtem selbstständigen Beweisverfahren von der Nachbesserung zum Schadenersatz über, wird die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens angerechnet, soweit diese streitwertmäßig (z.B. hinsichtlich der Mängel) im selbstständigen Beweisverfahren enthalten war.
Rz. 268
Ist der Anwalt zuvor noch außergerichtlich für den Auftraggeber tätig gewesen, so ist wie folgt abzurechnen:
Beispiel: Der Anwalt ist zunächst außergerichtlich wegen Baumängeln i.H.v. 30.000 EUR tätig. Die Sache ist sehr umfangreich, so dass eine 2,0-Gebühr angemessen ist. Anschließend führt der Anwalt das Beweisverfahren durch. Es findet ein Sachverständigentermin statt, an dem er teilnimmt. Hiernach kommt es zum Hauptsacheverfahren, in dem nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.
I. Außergerichtliche Tätigkeit
1. |
2,0-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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1.910,00 EUR |
2. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.930,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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366,70 EUR |
Gesamt |
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2.296,70 EUR |
II. Selbstständiges Beweisverfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
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1.241,50 EUR |
2. |
Anrechnung gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 von 0,75 |
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– 620,75 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
1.146,00 EUR |
4. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.786,75 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
339,48 EUR |
Gesamt |
|
2.126,23 EUR |
III. Rechtsstreit
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
1.241,50 EUR |
2. |
Anrechnung gem. VV Vorb. 3 Abs. 5 von 1,3 |
|
– 1.241,50 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
1.146,00 EUR |
4. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.166,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
221,54 EUR |
Gesamt |
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1.387,54 EUR |