Rz. 233
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Abs. 4 S. 1 erfolgt eine Anrechnung der Gebühren nach VV Teil 2. Damit ist klargestellt, dass auch die Gebühr für ein einfaches Schreiben nach VV 2302 angerechnet wird. Andere Sachverhalte scheiden jedoch aus der Anrechnung aus:
a) Vergütungsvereinbarung
Rz. 234
Hat der Anwalt für seine außergerichtliche Tätigkeit keine Geschäftsgebühr erhalten, sondern ein (Pauschal- oder Stunden-)Honorar aus einer Vergütungsvereinbarung, greift die Anrechnungsvorschrift nicht ein. Denn die Anrechnung wird in Abs. 4 ausdrücklich auf "eine Geschäftsgebühr nach VV Teil 2" beschränkt. Schließt der Mandant mit seinem Anwalt eine Vergütungsvereinbarung, so kann eine "Geschäftsgebühr nach VV Teil 2" nicht entstehen und folglich auch nicht im Rahmen der Anrechnung berücksichtigt werden. Man kann die Regelung in Abs. 4 auch nicht dahingehend auslegen, dass sie auch fiktive Geschäftsgebühren erfassen will. Denn dagegen spricht schon der klare Wortlaut der gesetzlichen Regelung ("Soweit ... entsteht ..."). Die in der Praxis untragbaren Auswirkungen dieser Entscheidung werden deutlich, wenn man den Fall eines außergerichtlichen Pauschalhonorars untersucht, das unter den gesetzlichen Gebühren liegt: Will der Mandant dies vom Gegner erstattet erhalten, so kann er nach einhelliger Meinung nur seine tatsächlichen Aufwendungen und nicht eine (höhere) fiktive Geschäftsgebühr verlangen. Im Rahmen der Kostenerstattung nach einem Rechtsstreit soll er sich dann aber im Rahmen der Anrechnung einen höheren Betrag entgegenhalten lassen?
b) Beratungshilfe
Rz. 235
Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr, wenn der Anwalt außergerichtlich im Rahmen von Beratungshilfe tätig wurde, ist zwar nach dem neuen Wortlaut, der nicht mehr auf VV 2300–2303 a.F., sondern generell auf die Gebühren nach Teil 2 verweist, nicht mehr ausgeschlossen. Jedoch enthält VV 2503 Abs. 2 insofern eine speziellere Anrechnungsregel.
c) Vereinbarter Anrechnungsausschluss
Rz. 236
Schließlich muss der Anwalt sich die Geschäftsgebühr auch dann nicht auf die Verfahrensgebühr anrechnen lassen, wenn er mit seinem Mandanten einen Anrechnungsausschluss vereinbart hat. Die Vorschrift in Abs. 4 ist dispositiv und kann daher im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung abbedungen werden.
d) Erstattungsproblematik
Rz. 237
Die vorstehend geschilderten Fälle betreffen nur das Innenverhältnis des Anwalts zu seinem Auftraggeber. Von diesem kann der Anwalt im Hinblick auf vereinbartes Honorar, Beratungshilfe oder Anrechnungsausschluss die volle Verfahrensgebühr verlangen, ohne dass eine Kürzung vorgenommen wird. Von dieser Abrechnung im Innenverhältnis zu unterscheiden ist jedoch die Frage der Gebührenerstattung durch den Gegner. In diesem Verhältnis bestimmt § 15a Abs. 2, dass sich der erstattungspflichtige Gegner in bestimmten Fällen auf eine Anrechnung berufen kann. Ob dies auch dann gilt, wenn zwischen Anwalt und Mandant überhaupt keine Anrechnung stattfindet, ist in der Rechtsprechung noch weitgehend ungeklärt. Zumindest in den Fällen, in denen die unterbliebene Anrechnung auf einer Vereinbarung zwischen Anwalt und Mandant beruht, also bei der Vereinbarung eines Pauschal- bzw. Stundenhonorars oder eines Anrechnungsausschlusses, erscheint es richtig, ein bereits tituliertes bzw. gezahltes Honorar in Höhe einer anzurechnenden Geschäftsgebühr bei der Festsetzung der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen. Ansonsten würde der erstattungspflichtige Gegner durch einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter zu weitergehenden Erstattungsansprüchen herangezogen, als das Gesetz sie vorsieht.