Rz. 246
Abs. 4 S. 3 bestimmt, dass in Fällen, in denen mehrere Gebühren entstanden sind, die zuletzt angefallene Gebühr maßgeblich ist. Das betrifft vor allem Fälle, in denen dem gerichtlichen Verfahren ein Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO vorausgegangen ist oder auch diejenigen Fälle, in denen einer außergerichtlichen Tätigkeit des Anwalts ein Mahnverfahren und sodann – nach Widerspruch des Gegners – eine Tätigkeit im streitigen Verfahren folgt. Für das Schlichtungsverfahren (VV 2303) bestimmt VV Vorb. 2.3, dass die Geschäftsgebühr auf die Gebühr für das Schlichtungsverfahren zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Satz von 0,75 anzurechnen ist. Geht das Schlichtungsverfahren dann in das gerichtliche Verfahren über, stellt sich die Frage, welche der Gebühren anzurechnen ist. Hier stellt Abs. 4 S. 3 klar, dass auf die zuletzt entstandene Gebühr, also auf die Geschäftsgebühr für das Schlichtungsverfahren abzustellen ist. Es ist also nur von der Gebühr nach VV 2303 auszugehen und diese teilweise anzurechnen, so dass sowohl ein Teil der außergerichtlichen Geschäftsgebühr – die nach VV Vorb. 2.3 nur teilweise auf die Gebühr im Schlichtungsverfahren angerechnet wird – als auch ein Teil der Geschäftsgebühr für das Schlichtungsverfahren erhalten bleibt.
Rz. 247
Gegenstand der Anrechnung ist die "zuletzt entstandene Gebühr" in voller Höhe und nicht nur in Höhe des nach der ersten Anrechnung verbliebenen Differenzbetrages. Denn ansonsten hätte der Wortlaut von Abs. 4 S. 3 klarstellen müssen, dass nicht die "entstandene" Gebühr anzurechnen ist, sondern lediglich der Teil der Gebühr, auf den noch keine Anrechnung erfolgt ist. Es wird also beispielsweise bei einer außergerichtlichen Tätigkeit, der ein Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO und sodann ein gerichtliches Verfahren folgt, auf die 1,3-Verfahrensgebühr (VV 3100) für das gerichtliche Verfahren die Hälfte der 1,5-Geschäftsgebühr für das Schlichtungsverfahren (VV 2303) angerechnet und nicht nur die Hälfte der nach Anrechnung der Geschäftsgebühr (VV 2300) verbliebenen Geschäftsgebühr von 0,85.
Beispiel: Der Anwalt wird beauftragt, eine Forderung i.H.v. 400 EUR außergerichtlich geltend zu machen. Anschließend wird das Schlichtungsverfahren durchgeführt und hiernach Klage erhoben. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Urteil. Der Rechtsanwalt erhält:
Gegenstandswert: 400 EUR
I. Außergerichtliche Tätigkeit
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
|
63,70 EUR |
2. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
12,74 EUR |
|
Zwischensumme |
76,44 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
14,52 EUR |
Gesamt |
|
90,96 EUR |
II. Schlichtungsverfahren
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2303 Nr. 4 |
|
73,50 EUR |
2. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
14,70 EUR |
3. |
./. hälftige Geschäftsgebühr (0,65) |
|
– 31,85 EUR |
|
Zwischensumme |
56,35 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
10,71 EUR |
Gesamt |
|
67,06 EUR |
III. Gerichtliches Verfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
63,70 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
58,80 EUR |
3. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
4. |
./. hälftige Geschäftsgebühr gemäß VV 2303 (0,75) |
|
– 36,75 EUR |
|
Zwischensumme |
105,75 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
20,09 EUR |
Gesamt |
|
125,84 EUR |
Rz. 248
Gleiches gilt, wenn einer außergerichtlichen Tätigkeit ohne Klageauftrag ein Mahnverfahren folgt, welches nach Widerspruch des Gegners ins streitige Verfahren übergeht. Bei Ansatz des Schwellenwertes entsteht hier zunächst eine 1,3-Geschäftsgebühr nach VV 2300, die später hälftig auf die 1,0-Verfahrensgebühr nach VV 3305 angerechnet wird. Von der Verfahrensgebühr für das Mahnverfahren verbleibt damit im Ergebnis ein Gebührensatz von 0,35. Nach Übergang ins streitige Verfahren wird auf die 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100 die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens als "zuletzt entstandene Gebühr" in (voller) Höhe von 1,0 angerechnet, so dass im Ergebnis ein Gebührensatz von 0,3 verbleibt. Insgesamt erhält der Anwalt damit für seine Tätigkeit im außergerichtlichen Bereich, Mahnverfahren und streitigem Verfahren eine Gebühr i.H.v. 1,95.
Beispiel: Der Anwalt wird beauftragt, eine Forderung i.H.v. 20.000 EUR außergerichtlich geltend zu machen (insgesamt durchschnittliche Tätigkeit). Anschließend wird das Mahnverfahren durchgeführt und hiernach Klage erhoben. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Urteil. Der Rechtsanwalt erhält:
Gegenstandswert: 20.000 EUR.
I. Außergerichtliche Tätigkeit
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
|
1.068,60 EUR |
2. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.088,60 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
206,83 EUR |
Gesamt |
|
1.295,43 EUR |
II. Mahnverfahren
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305 |
|
822,00 EUR |
2. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
3. |
./. hälftige Geschäftsgebühr VV 2300 (0,65) gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 |
|
– 535,30 EUR |
|
Zwischensumme |
306,70 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
58,27 EUR |
Gesamt |
|
364,97 EUR |
III. Gerichtliches Verfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
1.068,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
986,40 EUR |
3. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
4. |
./. Verfahrens... |