Rz. 279
Der Gegenstandswert im selbstständigen Beweisverfahren ist der objektive, nach dem Interesse des Antragstellers gemäß § 3 ZPO zu schätzende Wert. Dabei ist auf die Tatsachenbehauptung bei Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens abzustellen, wobei der objektive Wert der Gegenstände dieses Verfahrens maßgeblich ist.
Rz. 280
Eine höhere, noch im Hintergrund stehende restliche Forderung hat bei der Bestimmung des Gegenstandswertes für das Beweisverfahren außer Betracht zu bleiben. So wird bei einem selbstständigen Beweisverfahren eines Bauherrn über das Vorhandensein von Baumängeln nicht etwa der Betrag zum Streitwert, den der Bauherr wegen vorhandener Mängel von der Werklohnforderung einbehalten kann. Unbeachtlich ist bei einer derartigen Fallkonstellation also, dass das Zurückbehaltungsrecht in Höhe des dreifachen des zur Mängelbeseitigung erforderlichen Betrages ausgeübt werden kann. Schließlich bemisst sich der Streitwert der Beweisaufnahme des Hauptverfahrens auch nur nach dem Wert der Mängel.
Rz. 281
Aufgrund des Verwertungsgebotes in § 493 Abs. 1 ZPO entspricht es herrschender Meinung, dass für den nach § 3 ZPO zu schätzenden Wert des selbstständigen Beweisverfahrens der Wert des Hauptverfahrens maßgeblich ist. Dagegen wurde von den Vertretern der Bruchteilsbewertung eingewandt, dass der Antrag im selbstständigen Beweisverfahren gerade nicht auf Verurteilung zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme, sondern auf die Feststellung von Tatsachen und die Ermittlung von Grundlagen für einen möglichen künftigen Prozess gerichtet sei. Insofern dürfe ein solches Verfahren keinen höheren Wert haben als eine Feststellungsklage mit dem gleichen Ziel.
In seiner Entscheidung vom 16.9.2004 hat sich der BGH der herrschenden Meinung angeschlossen. Es komme bei der Wertfestsetzung nicht darauf an, ob das selbstständige Beweisverfahren als solches auf die Schaffung eines Titels ausgerichtet sei, sondern darauf, dass es bestimmt und geeignet sei, im Hauptsacheverfahren verwendet zu werden. Die Gleichstellung mit einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht müsse sich auch in der Wertfestsetzung widerspiegeln. Dieser Entscheidung des BGH hat sich eine Vielzahl von Oberlandesgerichten angeschlossen. Der Wert des selbstständigen Beweisverfahrens bestimmt sich daher nach dem Hauptsachewert bzw. dem Teil des Hauptsachewerts, auf den sich die Beweiserhebung bezieht. Der vom Antragsteller bei Einleitung des Verfahrens geschätzte Wert ist dabei weder bindend noch maßgeblich. Vielmehr setzt das Gericht nach Einholung des Sachverständigengutachtens den zutreffenden Wert – bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers – fest.
Beispiel: Will der Antragsteller Mängel an einem Fahrzeug feststellen lassen, welches er für 25.000 EUR gekauft hat und das aufgrund der Mängel zurückgegeben werden soll, dann ist der Streitwert auch dann auf 25.000 EUR festzusetzen, wenn der Sachverständige nur Mängel i.H.v. 10.000 EUR feststellt, denn das Hauptsacheverfahren wird sich auf Rückgabe richten. Will der Antragsteller dagegen eine Klage auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten vorbereiten und schätzt er in seinem Antrag – aus Sicht des Laien – den Aufwand zur Beseitigung der vorhandenen Mängel auf 25.000 EUR, dann ist der Streitwert auf 10.000 EUR festzusetzen, wenn das Gutachten unter Bejahung aller behaupteten Mängel einen Aufwand von nur 10.000 EUR für die Beseitigung feststellt.
Rz. 282
Der Wert des selbstständigen Beweisverfahrens ist auch dann nach den vorstehenden Ausführungen zu bestimmen, wenn es nicht mehr zum Hauptverfahren kommt, beispielsweise weil im selbstständigen Beweisverfahren gemäß § 492 Abs. 3 ZPO ein Vergleich abgeschlossen wird oder der Antragsgegner die gutachterlich festgestellten Mängel freiwillig beseitigt. Unbeachtlich für die Streitwertbemessung bleibt auch das Ergebnis der Beweissicherung.
Rz. 283
Werden von dem selbstständigen Beweisverfahren mehrere Beweisfragen umfasst, an denen einige Antragsgegner nur teilweise beteiligt sind, ist der Gegenstandswert im Verhältnis zu den einzelnen Antragsgegnern jeweils getrennt nach dem Wert der zu sichernden Ansprüche festzusetzen.