Rz. 62
Die Verbindung mehrerer Verfahren nach § 147 ZPO ist eine prozessuale Maßnahme, die Auswirkungen auf die anwaltlichen Gebühren haben kann. Zu prüfen ist zunächst in jedem Fall, ob das Gericht eine echte Prozessverbindung i.S.v. § 147 ZPO, § 93 VwGO vornehmen wollte oder ob es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handeln sollte, die der Vereinfachung des Prozessablaufs dient. Diese Prüfung ist auch dann vorzunehmen, wenn ein Verbindungsbeschluss vorliegt. Dabei stellt die Terminierung von zwei Verfahren auf dieselbe Zeit und die gemeinsame Verhandlung noch keine Verbindung dar, sondern erfolgt regelmäßig aus Gründen der Prozessökonomie und zur Erleichterung des jeweiligen Parteivortrags. Eine solche Vereinfachung kann auch darin bestehen, sich die mehrfache Vernehmung von Zeugen zu ersparen. Der Rechtsanwalt kann dann die Gebühren nur nach den Einzelstreitwerten der jeweiligen Verfahren berechnen.
Rz. 63
Werden mehrere Rechtsstreitigkeiten gemäß § 147 ZPO verbunden, lässt dies die bisher angefallenen Gebühren unberührt. Denn nach § 15 Abs. 4 können einmal entstandene Gebühren durch nachträglich eintretende Ereignisse nicht mehr entfallen. Bis zur Verbindung sind die Verfahren selbstständige Angelegenheiten. Der Rechtsanwalt kann also die Verfahrensgebühren der jeweiligen Verfahren nach den Einzelstreitwerten berechnen. Sind die Gebührentatbestände sowohl vor als auch nach der Verbindung erfüllt worden, dann steht dem Anwalt ein Wahlrecht zu. Er kann die Gebühren aus den Einzelwerten vor Verbindung oder aus dem Gesamtwert nach Verbindung berechnen.
Beispiel: A klagt gegen B auf Zahlung von 6.000 EUR (Az. 1/21). B erhebt gleichzeitig Klage gegen A auf Zahlung von 7.000 EUR (Az. 2/21). Nachdem in beiden Verfahren mündlich verhandelt worden ist, wird die Klage des B als Widerklage zum Verfahren 1/21 verbunden. Anschließend erfolgt eine weitere mündliche Verhandlung.
In beiden Verfahren ist sowohl die Verfahrens- als auch die Terminsgebühr vor und nach der Verbindung angefallen. Die getrennte Abrechnung dieser Gebühren nach den Einzelwerten der Verfahren ist günstiger.
I. Gebühren des verbundenen Verfahrens (Wert: 13.000 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
865,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
799,20 EUR |
3. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.685,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
320,15 EUR |
Gesamt |
|
2.005,15 EUR |
II. Verfahren 1/21 vor Verbindung (Wert: 6.000 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
507,00 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
468,00 EUR |
3. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
995,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
189,05 EUR |
Gesamt |
|
1.184,05 EUR |
III. Verfahren 2/21 vor Verbindung (Wert: 7.000 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
579,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
535,20 EUR |
3. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.135,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
215,65 EUR |
Gesamt |
|
1.350,65 EUR |
Summe aus den beiden Einzelverfahren (II. und III.): |
|
2.534,70 EUR |
Rz. 64
Sind die Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert der verbundenen Prozesse höher als die Summe der nach den Einzelstreitwerten berechneten Verfahrensgebühren, die der Rechtsanwalt alternativ verlangen könnte, kann der Rechtsanwalt die höheren Gebühren verlangen.
Beispiel: Eine Räumungsklage (Az. 1/21, Wert: 6.000 EUR) wird mit der Klage auf Nachforderung aus einer Nebenkostenabrechnung (Az. 2/21, Wert: 250 EUR) verbunden, nachdem in beiden Verfahren verhandelt worden ist.
Auch hier sind Verfahrens- und Terminsgebühr sowohl vor als auch nach der Verbindung angefallen. Allerdings ist jetzt die gemeinsame Abrechnung günstiger.
I. Gebühren des verbundenen Verfahrens (Wert: 6.250 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
579,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
535,20 EUR |
3. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.135,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
215,65 EUR |
Gesamt |
|
1.350,65 EUR |
II. Verfahren 1/21 vor Verbindung (Wert: 6.000 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
507,00 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
468,00 EUR |
3. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
995,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
189,05 EUR |
Gesamt |
|
1.184,05 EUR |
III. Verfahren 2/21 vor Verbindung (Wert: 250 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
63,70 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
58,80 EUR |
3. |
Auslagenpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
142,50 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
27,08 EUR |
Gesamt |
|
169,58 EUR |
Summe aus den beiden Einzelverfahren (II. und III): |
|
1.353,63 EUR |
Rz. 65
Dieses Wahlrecht kann allerdings nicht dahingehend ausgeübt werden, dass der Anwalt die Gebühren aus den Verfahren vor der Verbindung und dazu die Gebühren aus dem (verbundenen) Verfahren verlangt. Denn das verbundene Verfahren bildet mit den vorhergehenden Einzelverfahren dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2.
Rz. 66
Der erst nach der Verbindung beauftragte Anwalt erhält die Gebühren nur einmal, und zwar...