Rz. 213
Welche Gebühren der Anwalt erhält, der nach dem Termin, in welchem das erste Versäumnisurteil erging auch den Einspruchstermin wahrnimmt, in welchem ein zweites Versäumnisurteil erlassen ist, ist umstritten. Nach einer Ansicht fällt auch für die Wahrnehmung des zweiten Säumnistermins nur die reduzierte Gebühr aus VV 3105 an, weil nicht auf die Anzahl der Termine, sondern auf den reduzierten Arbeitsaufwand im Termin abzustellen ist. Die herrschende Meinung, der sich jetzt auch der BGH angeschlossen hat, sieht die gesetzliche Formulierung ("Wahrnehmung nur eines Termins...") als quantitative Beschränkung der Gebührenreduktion, die folglich dann nicht mehr eingreife, wenn derselbe Anwalt mehr als einen Termin wahrnimmt.
Es sind daher für die Frage des Gebührenaufkommens die folgenden Konstellationen zu unterscheiden:
Zwei Säumnistermine
Die genannte Entscheidung des BGH bezieht sich auf einen Fall, in welchem der Anwalt zunächst in einem gerichtlichen Termin ein Versäumnisurteil erstreitet und sodann nach Einspruch des Beklagten in einem weiteren Verhandlungstermin, bei welchem der Anwalt wiederum anwesend ist, ein zweites Versäumnisurteil ergeht. Hier erhält der Anwalt für die Wahrnehmung des ersten Säumnistermins eine 0,5-Terminsgebühr nach VV 3105 und für die Wahrnehmung des zweiten Säumnistermins eine 1,2-Terminsgebühr nach VV 3104, da im zweiten Termin die Gebührenreduzierung nach VV 3105 nicht mehr eingreift. Insgesamt erhält der Anwalt jedoch wegen § 15 Abs. 2 nur eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Hauptsachewert.
Erstes Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren
Ergeht das erste Versäumnisurteil mangels Verteidigungsanzeige des Beklagten im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 3 ZPO und legt der Beklagte dagegen Einspruch ein, so erhält der Anwalt des Klägers für das Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren eine 0,5-Terminsgebühr nach VV 3105 Abs. 1 Nr. 2. Für seine Teilnahme am Einspruchstermin und den dort gestellten Antrag auf Erlass eines zweiten Versäumnisurteils (§ 345 ZPO) billigt der BGH dem Anwalt die volle Terminsgebühr i.H.v. 1,2 nach VV 3104 zu.
Dies dürfte im Hinblick auf die im Übrigen vertretene Argumentation des BGH, der Wortlaut von VV 3105 enthalte eine quantitative Beschränkung zwar nicht ganz schlüssig sein. Denn in dem Fall, dass das erste Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergangen ist, hat der Anwalt nur einen Termin wahrgenommen. Jedoch argumentiert der BGH in diesem Zusammenhang damit, dass die Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO in Abs. 1 Nr. 2 der Anm. zu VV 3105 dem Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 1 ZPO gleichgestellt sei. Insgesamt erhält der Anwalt wegen § 15 Abs. 2 jedoch nur eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Hauptsachestreitwert. Eine dem § 38 BRAGO vergleichbare Vorschrift, wonach das Verfahren über den Einspruch unter bestimmten Umständen als besondere Angelegenheit galt bzw. der Anwalt die Gebühr für das erste Versäumnisurteil unter bestimmten Umständen besonders erhielt, kennt das RVG nicht.
Zweites Versäumnisurteil nach Vollstreckungsbescheid
Weiter ist der Fall zu untersuchen, dass zunächst ein Vollstreckungsbescheid ergeht, der gemäß § 700 Abs. 1 ZPO einem Versäumnisurteil gleichsteht und der Beklagte dann nach Einspruch zum Verhandlungstermin wiederum nicht erscheint, so dass ein zweites Versäumnisurteil erlassen wird. Für den Vollstreckungsbescheid kann der Anwalt – wenn dies auch in der Praxis selten sein dürfte – eine 1,2-Terminsgebühr nach VV 3104 erhalten, da diese Vorschrift auch im Vollstreckungsbescheidsverfahren Anwendung findet (vgl. VV Vorb. 3.3.2). Für die Teilnahme am Säumnistermin erhält der Anwalt eine 0,5-Terminsgebühr nach VV 3105, da der Rechtsstreit nach dem Vollstreckungsbescheidsverfahren eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit ist. Eine 1,2-Terminsgebühr entsteht hier – auch unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung – nicht, da der Anwalt nicht mehr als einen Termin wahrgenommen hat.