I. Allgemeines
Rz. 356
Mit dem KostRÄG 2021 ist die bisher für den Urkunden- Scheck- und Wechselprozess vorgesehen Anrechnungsregelung von Anm. Abs. 2 zu VV 3100 in die VV Vorb. 3 als neuer Abs. 7 versetzt worden. Grund hierfür ist, dass nach der Rechtsprechung des BGH auch im Berufungsverfahren vom Urkundsverfahren Abstand genommen werden kann. Daher stellt sich die Anrechnungsfrage nicht nur im Rahmen der VV 3100, sondern auch im Rahmen der VV 3200. Das wiederum bedingte es, die Anrechnungsregelung "vor die Klammer" zu ziehen und in VV Vorb. 3 zu verankern. Inhaltlich ergeben sich dadurch allerdings keine Änderungen.
Rz. 357
Nach §§ 592 ff. ZPO können Ansprüche auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere im Urkundenprozess geltend gemacht werden, wenn alle zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Für den Wechselprozess gelten neben den vorgenannten Vorschriften gemäß § 602 ZPO die besonderen Vorschriften der §§ 603 bis 605 ZPO, für den Scheckprozess werden gemäß § 605a ZPO die Vorschriften des Wechselprozesses für entsprechend anwendbar erklärt.
Rz. 358
Allen vorgenannten Verfahrensarten schließt sich im Regelfall, d.h. wenn der Beklagte dem geltend gemachten Anspruch widersprochen hat und ihm daher die Rechte im Nachverfahren gemäß § 599 Abs. 1 ZPO vorbehalten werden, das Nachverfahren gemäß § 600 ZPO an. Der Rechtsstreit bleibt in diesen Fällen im ordentlichen Verfahren anhängig. Obwohl Urkundsverfahren und weiteres Verfahren (nach Abstandnahme oder Vorbehaltsurteil) damit in demselben Rechtszug stattfinden, was nach § 15 Abs. 2 die Einordnung als eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit nach sich ziehen würde, erhält der Anwalt die Gebühren jeweils für beide Verfahren gesondert. Denn Urkundsverfahren und weiteres Verfahren sind nach § 17 Nr. 5 verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten. Um aber dem Umstand gerecht zu werden, dass ein Teil der Arbeit des weiteren Verfahrens schon im Urkundsverfahren geleistet wurde, hat der Gesetzgeber die Anrechnung der Verfahrensgebühr vorgesehen.
Rz. 359
Für das Verfahren bis zum Vorbehaltsurteil oder bis zur Abstandnahme vom Urkunden- oder Wechselprozess entstehen die Gebühren wie in jedem bürgerlichen Rechtsstreit. Im ordentlichen Verfahren, dem sog. Nachverfahren, entstehen sämtliche Gebühren nochmals besonders. Abs. 7 bestimmt sodann, dass die Verfahrensgebühr für einen Urkunden- oder Wechselprozess auf die Verfahrensgebühr für das ordentliche Verfahren angerechnet wird, wenn dieses nach Abstandnahme vom Urkunden- oder Wechselprozess oder nach einem Vorbehaltsurteil anhängig bleibt.
Rz. 360
Aufgrund der Anrechnung der Verfahrensgebühr kann sie – wenn derselbe Anwalt im Urkundsverfahren und im Nachverfahren tätig geworden ist – im Ergebnis nur einmal geltend gemacht werden.
Rz. 361
Abs. 7 erwähnt den Scheckprozess gemäß § 605a ZPO nicht. Da aber sämtliche Vorschriften des Wechselprozesses gemäß § 605a ZPO für den Scheckprozess entsprechend anzuwenden sind, kann kein Zweifel daran bestehen, dass Abs. 7 auch für den Scheckprozess gilt. Der Scheckprozess wird allgemein als weitere Art des Urkundsprozesses angesehen, was ebenfalls für die Anwendung von Abs. 7 spricht.
II. Regelungsgehalt
1. Verfahrensgebühr
Rz. 362
Die Verfahrensgebühr des Urkunden- oder Wechselprozesses wird auf die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens angerechnet (vgl. Abs. 7), die Verfahrensgebühr kann insgesamt also nur einmal geltend gemacht werden. Unerheblich dabei ist, ob der Kläger nach Erlass eines Vorbehaltsurteils das Nachverfahren weiter betreibt oder bereits während des Rechtsstreits, d.h. vor Erlass eines Vorbehaltsurteils, vom Urkunden- oder Wechselprozess Abstand genommen hat.
Beispiel: Der Kläger klagt im Urkundsprozess eine Forderung i.H.v. 5.000 EUR ein. Der Beklagte erhebt Einwendungen gegen die Echtheit der Urkunden und tritt Beweis an durch Parteivernehmung. Im Wechselprozess wird in einer mündlichen Verhandlung verhandelt, anschließend zur Echtheit der Urkunde Beweis erhoben. Es ergeht ein Vorbehaltsurteil. Der Beklagte beantragt die Durchführung des Nachverfahrens. Im Nachverfahren wird ebenfalls mündlich verhandelt. Das Gericht verkündet hiernach ein Endurteil, wonach das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt wird.
Der Anwalt erhält jetzt Verfahrens- und Terminsgebühr gesondert. Allerdings ist die Verfahrensgebühr des Urkundsverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens anzurechnen. Zur Abrechnung siehe die nachfolgenden Beispiele.
Rz. 363
Erhöht sich der Streitwert im Nachverfahren gegenüber dem Vorverfahren, führt dies dazu, dass sich auch die Verfahrensgebühr des Nachve...