1. Allgemeines
Rz. 284
Beauftragt die Partei wegen Differenzen mit dem ursprünglichen Rechtsanwalt für das Hauptverfahren einen anderen Prozessbevollmächtigten, so sind die Mehrkosten dieses Anwaltswechsels nicht i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO notwendig und damit nicht erstattungsfähig. Ebenfalls nicht notwendig und daher nicht erstattungsfähig sind die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der Kläger im selbstständigen Beweisverfahren nicht sogleich einen am Ort des späteren Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hat. Etwas anderes gilt, wenn wegen der tatsächlichen Schwierigkeit des Sachverhalts ohne Beauftragung des Anwalts im selbstständigen Beweisverfahren Kosten für eine Informationsreise zum Prozessbevollmächtigten in (mindestens) der gleichen Höhe entstanden wären.
2. Kostenerstattung
Rz. 285
Ein Kostenerstattungstitel nach § 91 ZPO setzt ein Prozessrechtsverhältnis voraus. Das selbstständige Beweisverfahren ist noch kein Prozessrechtsverhältnis in diesem Sinne. Die Anwendung von § 91 ZPO kommt daher nur in Betracht,
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wenn das selbstständige Beweisverfahren innerhalb einer bereits anhängigen Hauptsache angeordnet wurde oder |
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wenn das Hauptsacheverfahren nach durchgeführtem selbstständigen Beweisverfahren anhängig gemacht wird. |
Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens sind dann in der Regel Kosten der Hauptsache, ohne dass es hierzu eines besonderen Ausspruchs in der Kostenentscheidung bedarf. Vorsorglich kann jedoch ein Antrag auf Urteilsergänzung gemäß § 321 ZPO gestellt werden, um Nachteile zu vermeiden, sofern das Gericht diesbezüglich eine abweichende Auffassung vertritt. Dabei ist zu beachten, dass der Antrag auf Urteilsergänzung gemäß § 321 Abs. 2 ZPO binnen zwei Wochen seit der Zustellung des Urteils zu stellen ist.
Rz. 286
Voraussetzung dafür, dass die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des Rechtsstreits i.S.v. § 91 ZPO – und zwar zu den Gerichtskosten – zählen und damit erstattungsfähig sind, ist die persönliche und sachliche Identität (vgl. dazu Rdn 290 ff.). Es ist dagegen nicht erforderlich, dass das Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens im Hauptsacheverfahren verwertet wird (siehe dazu Rdn 287), noch ist es erforderlich, dass im Hauptsacheverfahren in der Sache selbst entschieden wird (siehe dazu Rdn 288). Im Übrigen verbleibt es hinsichtlich der Kostenerstattung bei der Regelung des § 494a ZPO bzw. bei einem eventuellen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch.
3. Verwertung im Hauptsacheverfahren
Rz. 287
Für die Erstattungsfähigkeit der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens kommt es nicht darauf an, ob das Ergebnis der im selbstständigen Beweisverfahren durchgeführten Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren verwertet wird oder nicht.
Beispiel: Leitet der Besteller ein selbstständigen Beweisverfahren zur Feststellung eines Mangels an der Kellerdecke seines Neubaus ein und verklagt er den Unternehmer sodann auf Zahlung eines Kostenvorschusses und dieser erhebt Widerklage auf restlichen Werklohn, so sind die Kosten des Gutachtens im selbstständigen Beweisverfahrens auch dann zugunsten des Klägers in der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen, wenn die Klage abgewiesen wird, weil eine Auslegung des Werkvertrages ergeben hat, dass die Herstellung des Kellers nicht vom Beklagten geschuldet ist.
Auch wenn die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens dogmatisch als Gerichtskosten einzuordnen sind, so dienen sie doch nicht der unmittelbaren Rechtsverfolgung einer Partei, sondern einem vorbereitenden Verfahren, welches nicht die Entscheidung der Hauptsache, sondern die Sicherung einer Beweisführung zum Ziel hat, deren Verlust oder Erschwerung durch Zeitablauf droht. Würde man im Rahmen der Erstattungsfähigkeit darauf abstellen, ob das Beweisergebnis im Hauptsacheverfahren verwertet wird, so trüge die antragstellende Partei ein unangemessenes Risiko. Denn sie kann nicht voraussehen, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung des Gerichts im Hauptsacheverfahren ausschlaggebend sind bzw. wie das Gericht eine bestimmte Rechts- oder Tatsachenfrage entscheiden wird. Es reicht also aus, wenn die Partei bei Antragstellung objektiv gerechtfertigt davon ausgehen durfte, dass eine Sicherung der Beweise erforderlich sein wird.