Rz. 347
Auch in sozialgerichtlichen Verfahren gilt sowohl Abs. 1 als auch VV Vorb. 3 Abs. 6. Eine Differenzierung zwischen Wert- und Betragsgebühren ist im Gegensatz zur BRAGO nicht mehr vorgesehen. Die Verfahrensgebühr wird in VV Teil 3 immer angerechnet.
Rz. 348
Gegenüber der BRAGO hat das RVG hier erstmals eingeführt, dass Rahmengebühren aufeinander angerechnet werden. Dies bereitet hier besondere Probleme.
Rz. 349
Für die Verfahrensgebühr im Verfahren vor Zurückverweisung ist aufgrund Umfang, Bedeutung etc. eine Gebühr zu bestimmen. Gleiches gilt für die Gebühr nach Zurückverweisung. Hier wäre an sich schon kraft Natur der Sache zu berücksichtigen, dass der Anwalt zuvor befasst war und den Sachverhalt kennt, dass er Vortätigkeiten ausgeübt hat etc. Es würde sich also hier bereits aufgrund der Kriterien des § 14 nur eine geringere Gebühr ergeben. Der Gesetzgeber hat dies dem Grunde nach erkannt und in den Fällen der VV Vorb. 2.3 Abs. 3 S. 3 und Vorb. 3 Abs. 3 S. 4 angeordnet, dass die Vorbefassung im Rahmen des § 14 Abs. 1 nicht berücksichtigt werden darf. Diese Regelung wird man hier entsprechend anwenden müssen. I.d.R. dürfte daher die weitere Verfahrensgebühr höher anzusetzen sein, da zu dem bisherigen Prozessstoff des Verfahrens vor Zurückverweisung noch der weitere Verfahrensumfang hinzu kommt und zudem die rechtlichen Ausführungen des Rechtsmittelgerichts zusätzlich gewürdigt werden müssen.
Rz. 350
Die Lösung liegt also darin, für das Verfahren nach Zurückverweisung zunächst eine Gebühr zu berechnen, die die gesamte Tätigkeit im Ausgangsverfahren und im Verfahren nach Zurückverweisung beinhaltet. Hierauf wird dann die Verfahrensgebühr des Ausgangsverfahrens angerechnet. Nur auf diese Art und Weise ergibt sich eine zutreffende (Differenz-)Berechnung, die den weiteren Umfang des Verfahrens angemessen erfasst. Der Anwalt erhält für das Verfahren nach Zurückverweisung dann noch den Gebührenrest, der für das weitere Verfahren angemessen ist.
Beispiel: Für das Ausgangsverfahren wäre eine Gebühr i.H.v. 300 EUR angemessen; für das Verfahren nach Zurückverweisung i.H.v. 250 EUR. Infolge der Anrechnung würde der Anwalt nur 300 EUR erhalten.
Dabei wäre nicht berücksichtigt, dass für die gesamte Tätigkeit im Verfahren, also wenn man Ausgangsverfahren und Verfahren nach Zurückverweisung zusammenlegt, eine Gebühr i.H.v. 500 EUR angemessen wäre. Zu rechnen ist also für das weitere Verfahren eine Gebühr i.H.v. 500 EUR. Hierauf ist dann die Gebühr des Ausgangsverfahrens i.H.v. 300 EUR anzurechnen.
Rz. 351
War der Anwalt bereits im vorangegangenen Verwaltungs- und/oder Widerspruchsverfahren tätig, ist die letzte Geschäftsgebühr nach VV Vorb. 3 Abs. 4 nur auf die erste Verfahrensgebühr anzurechnen, nicht auch auf die zweite.
Beispiel: Der Anwalt war bereits im Widerspruchsverfahren tätig. Gegen das Urteil des Sozialgerichts legt er Berufung ein. Das Landessozialgericht hebt nach mündlicher Verhandlung das Urteil des Sozialgerichts auf und verweist die Sache an das Sozialgericht zurück. Dort wird erneut verhandelt.
Jetzt erhält der Anwalt im ersten Verfahren vor dem Sozialgericht eine Gebühr nach VV 3102, allerdings unter hälftiger Anrechnung der vorangegangenen Geschäftsgebühr (VV Vorb. 3 Abs. 4). Für das Berufungsverfahren gelten die VV 3204 ff. Im Verfahren nach Zurückverweisung entsteht die Gebühr nach VV 3102 erneut, die jetzt allerdings deutlich höher ausfallen muss, da die Vorbefassung in der vorangegangenen ersten Instanz mit zu berücksichtigen ist (siehe § 14 Abs. 2). Da es – ebenso wie bei einer Untätigkeitsklage oder einer einstweiligen Anordnung – zum Verfahren nach Zurückverweisung kein (erneutes) vorangehendes Verwaltungs- oder Nachprüfungsverfahren gibt, ist diese Gebühr insoweit anrechnungsfrei. Anzurechnen ist lediglich die vorangegangene Verfahrensgebühr der VV 3102. Ausgehend von den Mittelgebühren und einer um 50 % erhöhten Verfahrensgebühr im Verfahren nach Zurückverweisung ergibt sich folgende Berechnung:
I. Widerspruchsverfahren
1. |
Geschäftsgebühr, VV 2301 Nr. 1 |
|
414,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
434,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
82,46 EUR |
Gesamt |
|
516,46 EUR |
II. Verfahren vor dem Sozialgericht
1. |
Verfahrensgebühr, VV 3102 |
|
360,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 3106 |
|
335,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
715,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
135,85 EUR |
Gesamt |
|
850,85 EUR |
III. Berufungsverfahren
1. |
Verfahrensgebühr, VV 3204 |
|
444,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 3205 |
|
335,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
799,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
151,81 EUR |
Gesamt |
|
950,81 EUR |
IV. Erneutes Verfahren vor dem Sozialgericht nach Zurückverweisung
1. |
Verfahrensgebühr, VV 3102 |
|
540,00 EUR |
2. |
gem. VV Vorb. 3 Abs. 6 anzurechnen |
|
– 360,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, VV 3106 |
|
335,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
535,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
101,65 EUR |
... |