Rz. 64

Die Parteien müssen den Streit oder die Ungewissheit durch ein Nachgeben beseitigt haben. Ein gegenseitiges Nachgeben ist nicht mehr erforderlich (siehe Rdn 29 f.). Da Anerkenntnis und Verzicht jedoch nicht ausreichen, bleibt es dabei, dass ein Mindestmaß an Nachgeben erforderlich bleiben wird. Ein Nachgeben i.S.d. VV 1000 ist schon bei geringsten Zugeständnissen gegeben. An dieses Tatbestandsmerkmal sind keine hohen Voraussetzungen zu stellen. Jedes noch so geringe Opfer reicht aus.[42]

 

Rz. 65

Es ist auch nicht einmal erforderlich, dass die Parteien tatsächlich nachgegeben haben. Es genügt insoweit, wenn lediglich aus Sicht der Parteien ein Nachgeben vorliegt.

 

Beispiel: Der Kläger verlangt vom Beklagten Verzugszinsen auf die von ihm getätigten Verwendungen. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte in Verzug geraten ist. Sie einigen sich schließlich darauf, dass die Hälfte der Zinsen gezahlt wird.

Beide Parteien haben aus ihrer Sicht nachgegeben. Dass seitens des Beklagten tatsächlich kein Nachgeben vorlag, weil er unabhängig vom Verzug nach § 256 BGB zur Zinszahlung verpflichtet war, ist unerheblich, da es auf die subjektive Sicht der Parteien ankommt.

 

Rz. 66

Das Nachgeben muss nicht darin liegen, dass die Parteien hinsichtlich desselben Gegenstandes von ihren Vorstellungen abrücken. Ein Nachgeben kann auch dann vorliegen, wenn jede Partei ihren Standpunkt hinsichtlich eines Teilgegenstandes voll durchsetzt.

 

Beispiel: Im Rahmen einer Unfallschadenregulierung macht der Geschädigte eine Nutzungsentschädigung i.H.v. 500 EUR geltend sowie ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.000 EUR. Der Versicherer erhebt Einwände gegen den Nutzungsausfall dem Grunde nach und gegen das Schmerzensgeld zur Höhe. Die Parteien einigen sich schließlich, dass das Schmerzensgeld in voller Höhe von 1.000 EUR gezahlt werde und der Geschädigte im Gegenzug auf die Nutzungsentschädigung verzichte.

Hier liegt zwar hinsichtlich jeder Position für sich betrachtet kein Nachgeben vor, da jeweils eine Partei mit ihren Vorstellungen voll durchgedrungen ist. Insgesamt liegt aber sogar ein gegenseitiges Nachgeben vor, da das Schmerzensgeld nur anerkannt worden ist, weil gleichzeitig auf die Nutzungsentschädigung verzichtet wurde.

 

Rz. 67

Ein Nachgeben liegt auch dann vor, wenn der Geschädigte anstelle der ursprünglich geltend gemachten Mithaftungsquote des Anspruchstellers eine geringere Quote akzeptiert und der Haftpflichtversicherer auf eine präjudizielle Wirkung hinsichtlich der Haftungsquote verzichtet.[43]

 

Rz. 68

Die Frage, ob und wann ein Nachgeben vorliegt, ist der häufigste Streitpunkt beim Abschluss einer Einigung. Da diese Frage aber stets im Zusammenhang mit anderen Tatbestandsvoraussetzungen steht, z.B. ob es auf einem Vertrag beruht, wird insoweit auf die alphabetische Zusammenstellung der Einzelfälle (siehe Rdn 76 ff.) verwiesen.

 

Rz. 69

Das Nachgeben muss nach dem Wortlaut der VV 1000 nicht mehr gegenseitig sein. Einseitige Zugeständnisse können daher reichen, sofern nicht ein Anerkenntnis oder ein Verzicht vorliegt. Über dieses Tatbestandsmerkmal entstand häufig Streit, insbesondere dann, wenn eine Klage oder eine Berufung zurückgenommen wurde, wenn eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde oder bei so genannten Abrechnungsfällen. Hier werden sich einige Streitfragen erledigen. Auch hier sei insoweit auf die alphabetische Darstellung der Einzelfälle (siehe Rdn 76 ff.) verwiesen.

[42] BGH 31.1.1963 – III ZR 117/62, BGHZ 39, 60; OLG Düsseldorf JurBüro 1992, 96; LAG München JurBüro 1992, 96.
[43] AG Alzey AGS 2003, 494.

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