Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Ausgangslage
Rz. 124
Abs. 2 der Anm. zu VV 1008 schreibt vor, dass die Erhöhung bei der Wertgebühr nach dem Betrag berechnet wird, an dem die Personen gemeinschaftlich beteiligt sind (siehe dazu Rdn 60 ff.).
Ist die Verfahrensgebühr nach einem zusammengerechneten Gegenstandswert zu ermitteln (verschiedene Gegenstände, § 22 Abs. 1) und gelten für Teile davon verschiedene Gebührensätze, so bestimmt § 15 Abs. 3, dass die Gebühren für die Wertteile gesondert zu berechnen sind und der Anwalt die Summe aller Teilgebühren erhält, jedoch nicht mehr als die nach dem höchsten Gebührensatz aus dem Gesamtwert berechnete Gebühr.
Rz. 125
Umstritten ist, wie die Gebührenerhöhung zu berechnen ist, wenn für mehrere Auftraggeber bei denselben oder unterschiedlichen Gebührensätzen teilweise Gegenstandsidentität und teilweise Gegenstandsverschiedenheit vorliegt bzw. die Auftraggeber teilweise gemeinschaftlich bzw. unterschiedlich am Wert beteiligt sind.
b) Anwendung von § 15 Abs. 3
Rz. 126
Nach einer Auffassung gilt § 15 Abs. 3 schon seinem Wortlaut nach bzw. wird entsprechend angewandt, wenn in derselben Angelegenheit neben einer Mehrfachvertretung mit identischem Gegenstand (z.B. für zwei Personen) von dem Anwalt auch noch eine Einzelvertretung (z.B. für eine dieser Personen) wahrgenommen wird. Dann sollen nämlich für Teile des Gesamtwertes verschiedene Gebührensätze eingreifen: Einerseits gelten 1,6 hinsichtlich des Gegenstandswertes der Mehrfachvertretung und zum anderen 1,3 für den Gegenstandswert der Einzelvertretung (vgl. § 15 Rdn 231 ff.).
Beispiel: Der Anwalt klagt für die Eheleute S eine gemeinsame Mietforderung von 4.500 EUR und für Frau S einen Schadensersatzanspruch von 720 EUR ein, weil der Mieter M beim Einparken ihr Fahrrad beschädigt hat. M soll also 5.220 EUR zahlen, und zwar davon 4.500 EUR an beide Kläger als Gesamtgläubiger.
Die Verfahrensgebühr des Anwalts berechnet sich (netto) wie folgt:
1,6-Gebühr (VV 3100 + VV 1008), Wert 4.500 EUR |
534,40 EUR |
1,3-Gebühr (VV 3100), Wert 720 EUR |
114,40 EUR |
Gesamt |
648,80 EUR |
Gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als eine 1,6 Verfahrensgebühr (Wert 5.220 EUR) mit 624 EUR, die hier die Obergrenze bilden.
Rz. 127
Es wird bei dieser Berechnungsweise somit zunächst die nach VV 1008 erhöhte Verfahrensgebühr aus dem Wert berechnet, an dem die Personen gemeinschaftlich beteiligt sind (4.500 EUR). Sodann wird noch eine nicht erhöhte Verfahrensgebühr aus dem Wert berechnet, an dem nur einer der Auftraggeber beteiligt ist (720 EUR). Schließlich wird nach § 15 Abs. 3 geprüft, ob eine nach dem höchsten angewandten Gebührensatz (1,6) nach dem Gesamtstreitwert (5.220 EUR) berechnete Verfahrensgebühr nicht überschritten wird.
Rz. 128
§ 15 Abs. 3 ist bei Anfall der Verfahrensgebühr VV 3100 neben einer erhöhten Verfahrensgebühr VV 3100, 1008 nicht einschlägig, so dass dieser Auffassung nicht gefolgt werden kann. Denn § 15 Abs. 3 setzt voraus, dass für Teile des Gegenstands verschiedene Gebührensätze anzuwenden sind, also verschiedene Gebührentatbestände aufeinandertreffen. Hierdurch soll vermieden werden, dass in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit Mehrkosten anfallen, wenn für Teile des Gegenstands Gebühren mit unterschiedlichen Gebührensätzen anfallen. Bei Entstehung der Verfahrensgebühr neben einer nach VV 1008 erhöhten Verfahrensgebühr treffen aber keine verschiedenen Gebührentatbestände mit unterschiedlichen Gebührensätzen zusammen. Vielmehr fällt als Ausgangsgebühr für den gesamten Streitwert eine Verfahrensgebühr an, die nur für einen Teilwert nach VV 1008 zu erhöhen ist.
c) Wertaddition und Erhöhungsgebühr
Rz. 129
Nach der zutreffenden und wohl herrschenden Gegenauffassung wird zunächst die Verfahrensgebühr ohne Erhöhung nach VV 1008 aus dem Gesamtwert bzw. dem gem. § 22 Abs. 1 zusammengerechneten Wert ermittelt und sodann eine Erhöhung nach VV 1008 aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung berechnet. § 15 Abs. 3 wird nicht angewandt.
Beispiel:
Im Beispiel oben (siehe Rdn 126) ergibt sich dann folgende Berechnung:
1,3-Verfahrensgebühr (VV 3100), Wert 5.220 EUR |
507,00 EUR |
0,3-Verfahrensgebühr (VV 1008), Wert 720 EUR |
26,40 EUR |
Gesamt |
533,40 EUR |
Rz. 130
Gegen diese Berechnungsweise spricht vordergründig, dass die Gebührenerhöhung nach VV 1008 hierbei als eigener Gebührentatbestand erscheint (Erhöhungsgebühr), obwohl nach VV 1008 eine einheitliche Verfahrensgebühr einschließlich Erhöhung entsteht (siehe Rdn 3 f.).
Rz. 131
Für diese Berechnung...